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Der Gefundene Junge

Der Gefundene Junge

Titel: Der Gefundene Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
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bäuchlings auf dem steil geneigten Deck und hielt den Jungen an den Handgelenken fest.
    Â»Nein!«, schrie Hap, als eine weitere Welle heranrollte, sich hoch auftürmte und niederkrachte. Sie drückte das Boot unter Wasser und es verschwand, als wäre es nie da gewesen. Hap stieß sich vom Gitter ab, drehte sich vom Fenster weg und raufte sich die Haare. Nein , schrie er ein weiteres Mal, diesmal innerlich; der Gedanke an den armen Mann und den Jungen machte ihn sprachlos vor Entsetzen. Die beiden hatte soeben genau das Unglück ereilt, vor dem er sich am meisten fürchtete.

26
    Hap presste die Hände vors Gesicht. Er hasste diese unnatürlichen Augen, die ihn so etwas sehen ließen. Doch dann drang durch das Brausen des Unwetters ein Geräusch an sein Ohr. Es war durchdringend, klangvoll und vertraut. Er fuhr herum und schaute mit neuer Hoffnung nach draußen. Wo das Boot untergegangen war, erhob sich etwas Gewaltiges aus dem Salzwasser.
    Â»Boroon!« , rief Hap. »Boroon!« Er sprang so hoch, dass er mit dem Kopf gegen die steinerne Decke stieß.
    Der Wal hatte beim Auftauchen das kleine Boot innerhalb der Reling der Barke aufgefangen. Das Wasser floss ab und machte das Deck frei. Vater und Sohn erhoben sich fassungslos auf alle viere und staunten über das Wunderwesen aus der Tiefe, das sie gerettet hatte. Nima lief von Boroons Rücken aus an Deck. Sie öffnete die Luke, winkte die beiden zu sich, und sie kletterten in die sichere Kajüte.
    Â»Nima!« , schrie Hap, während er sich die Beule an seinem Kopf rieb. Natürlich konnte sie ihn nicht hören, aber das spielte keine Rolle. Er schrie beide Namen noch einmal, nur aus reiner Freude: »Nima! Boroon!«
    Haps bewusstes Leben währte erst wenige Wochen, aber er fragte sich, ob er jemals zwei Wesen mehr verehren würde als den Wal und die Kapitänin mit den Schwimmhäuten in diesem Moment. Dies ist eine Erinnerung für das Buch deines Lebens , sagte ersich, während sich der Regen mit seinen Freudentränen vermischte.
    Die kraftvolle Schwanzflosse Boroons trieb die Geretteten davon, einem sicheren Ort entgegen. Hap nahm ein Buch aus dem Korb und setzte sich zufrieden lächelnd aufs Bett.
    Doch bevor er zu lesen anfangen konnte, bemerkte er etwas, das ihm bekannt vorkam: Alle Gelenke in seinem Körper schienen vor Kälte erstarrt zu sein. Er kniff die Augen zu und sah Turiana vor sich, hörte sie jene schrecklichen Worte sagen. Er zwang sich dazu, die Erinnerung zu verdrängen. Das geht vorbei , dachte er. Und es ging vorbei. Schneller als beim ersten Mal wurde die Kälte von einem glühenden Fieber vertrieben, das ebenfalls rasch wieder nachließ.
    Sein Brustkorb hob und senkte sich wie ein Blasebalg. Er fragte sich, was diesen kurzen Anfall ausgelöst hatte, und stand auf, verärgert, dass der freudige Moment verdorben war. Umber hatte ihm gesagt, er solle auf einen weiteren Lichtfaden achten, falls die Kälte und das Fieber noch einmal auftraten, und da war er auch schon, mitten in der stürmischen Luft direkt vor seinem Fenster. Genau wie derjenige, der mich zu Thimble geführt hat. Aber dieser Faden verlief senkrecht und zeigte nicht auf ihn.
    Er trat vorsichtig näher, als wäre der Faden ein Vogel, den er erschrecken könnte. Pass ganz genau auf , hatte Umber gesagt. Es könnte wichtig sein.
    Woraus der Faden auch immer war, der Sturm konnte ihm nichts anhaben. Er vibrierte nur in einer wellenförmigen Bewegung vor sich hin. Hap hatte das Fenster erreicht und starrte denFaden an. Seine Farbe hatte etwas Unheilvolles und Furchteinflößendes an sich – ein Blauviolett wie von einer Entzündung oder einem Bluterguss. Wie durch den ersten Faden bewegten sich auch durch diesen winzige Lichtimpulse, die von einem Punkt unter ihm zu kommen schienen. In der Erwartung, das gleiche schwache Flüstern oder Musik zu hören, streckte er die Hand aus und griff danach. Doch sofort zuckte er zurück. Da war tatsächlich ein Geräusch – aber es war kalt und unangenehm und flößte ihm einen tiefen Schrecken ein.
    Dieser Faden ist anders , dachte er. Der erste war meiner, aber der hier gehört zu jemand anderem.
    Er zwängte den Kopf zwischen den Gitterstäben hindurch. Der Abstand reichte gerade so eben aus, obwohl er sich dabei die Ohren wehtat. Er schaute nach unten. Und da sah er ihn wie eine Spinne die Wand hochkriechen,

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