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Der Geheimcode

Der Geheimcode

Titel: Der Geheimcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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verbreiteten Schusswaffen mit verbundenen Augen auseinander nehmen und wieder zusammensetzen, sich jedes beliebigen Transportmittels bedienen, sich in weniger als vier Minuten schminken und trotz ihrer sensationellen asiatisch-europäischen Genmischung unauffällig in jeder Menschenmenge untertauchen. Ihr großer Bruder war sehr stolz auf sie.
    Der letzte Teil ihrer Ausbildung bestand in einer Feldübung, die in fremder Umgebung abgehalten wurde. Bestand Juliet diesen Test, würde Madame Ko ihr einen blauen Diamanten auf die Schulter tätowieren. Eine Tätowierung - dieselbe, die auch Butlers Schulter zierte -, die nicht nur für die Härte des Absolventen stand, sondern auch seine facettenreiche Ausbildung symbolisierte. In eingeweihten Kreisen brauchte ein Leibwächter, der den blauen Diamanten trug, keine weitere Empfehlung.
    Madame Ko hatte für diese letzte Prüfung die Stadt Sfax in Tunesien ausgewählt. Juliets Aufgabe war es, ihren Prinzipal quer durch den turbulenten Basar im Zentrum, die so genannte Medina, zu führen. Normalerweise würde ein Leibwächter seinem Prinzipal davon abraten, sich in eine so stark bevölkerte Gegend zu begeben. Doch Madame Ko hob hervor, dass Prinzipale nur selten auf Ratschläge hörten und man auf jede Gelegenheit vorbereitet sein müsse. Und als stünde Juliet nicht schon genug unter Druck, hatte Madame Ko beschlossen, höchstpersönlich die Rolle des Prinzipals zu übernehmen.
    Es war außergewöhnlich heiß in Nordafrika. Juliet blinzelte durch ihre Gletscherbrille, vollkommen darauf konzentriert, der zierlichen Gestalt zu folgen, die sich vor ihr durch die Menge schlängelte.
    »Beeil dich«, fuhr Madame Ko sie an. »Sonst verlierst du mich.«
    »Nie im Leben, Madame«, erwiderte Juliet gelassen. Madame Ko versuchte nur, sie mit dem Gespräch abzulenken. Dabei gab es genug Ablenkung in der unmittelbaren Umgebung. An einem Dutzend Stände funkelten üppige Goldketten, und überall hingen tunesische Teppiche an hölzernen Rahmen - ideale Verstecke für jeden Mörder. Einheimische drängten sich unangenehm dicht an sie heran, begierig, einen Blick auf die hübsche junge Frau zu erhaschen, und das Gelände war tückisch; eine falsche Bewegung konnte zu einem verstauchten Fußgelenk und damit zum Scheitern ihrer Prüfung führen.
    Juliet registrierte all diese Informationen automatisch und stellte sich mit jeder Bewegung darauf ein. Sie schob einen Teenager, der sie breit angrinste, entschlossen beiseite, sprang über eine ölige, in allen Farben des Regenbogens schillernde Pfütze hinweg und folgte Madame Ko in eine weitere Gasse des endlosen Labyrinths der Medina.
    Plötzlich stand ein Mann vor ihr. Einer der Händler. »Ich gute Teppiche haben«, sagte er in gebrochenem Französisch. »Du kommen, ich dir zeigen!«
    Madame Ko eilte weiter. Juliet versuchte ihr zu folgen, doch der Mann verstellte ihr den Weg.
    »Nein, danke, kein Interesse. Ich lebe unter freiem Himmel.«
    »Sehr komisch, Mademoiselle. Sie machen gute Witz. Jetzt kommen und Ahmeds Teppiche schauen.«
    Die Menge begann, aufmerksam zu werden, drängte sich näher heran wie die Tentakeln eines riesigen Organismus. Und Madame Ko entfernte sich immer weiter. Juliet war dabei, ihren Prinzipal zu verlieren.
    »Ich sagte nein. Und jetzt lassen Sie mich durch, großer Teppichmeister, bevor ich mir an Ihnen noch einen Fingernagel abbreche.«
    Der Tunesier war es nicht gewohnt, Befehle von einer Frau erteilt zu bekommen, und außerdem sahen mittlerweile seine Freunde zu. »Ich machen Sonderpreis«, beharrte er und wies auf seinen Stand. »Beste Teppiche in Sfax.«
    Juliet versuchte, an ihm vorbeizuschlüpfen, doch die Menge versperrte ihr den Weg.
    Da verging Juliet das letzte bisschen Sympathie, das sie vielleicht einmal für Ahmed empfunden hatte. Bisher war er nur ein harmloser Einheimischer gewesen, der zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort aufgetaucht war, aber jetzt...
    »Du mitkommen«, sagte der Tunesier und schlang seinen Arm um die Taille des blonden Mädchens. Eindeutig nicht die beste Idee.
    »Jetzt reicht's, Teppichmann!« Bevor Ahmed mit der Wimper zucken konnte, fand er sich zusammengerollt in einem Teppich wieder, und Juliet war verschwunden. Keiner der Umstehenden begriff, was passiert war, bis sie sich das Ganze auf dem Bildschirm der Videokamera von Kamal, dem Hühnermann, noch einmal ansahen. In Zeitlupe verfolgten die Händler, wie das eurasische Mädchen Ahmed an Kragen und Gürtel packte und mit

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