Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
hatte es sich ja wahrlich nicht um die neueste Lieferung und schon gar nicht um die beste Ware gehandelt, sondern um altes Zeug.
Aber das Seil riss nicht und dann stand er endlich unten auf festem Boden. Dass er sich beim Abstieg die Knie am rauen Mauerwerk blutig geschrammt hatte, spürte er so gut wie gar nicht.
Timon klopfte ihm auf die Schulter. »Da sieht man mal, wohin einen solide Knüpfarbeit bringen kann - manchmal sogar in die Freiheit«, sagte er beschwingt und reichte ihm seine Kleider, die er schon für ihn bereitgelegt hatte.
Hastig fuhr Jona in seine Sachen. Dann machten sie, dass sie davonkamen. Im Laufschritt folgten sie der staubigen Landstraße, die eine gute römische Meile 18 weiter oberhalb hinter einer felsigen Hügelgruppe verschwand.
Als Jona sich noch einmal nach dem mächtigen Geviert hoch über dem Wadi umblickte, war ihm, als könnte er die Umrisse von drei Gestalten auf dem Dach ausmachen. Simon mit seiner Frau und seinem Sohn, die sich ebenfalls zur Flucht entschieden hatten? Er hoffte es für sie.
Timon folgte seinem Blick. »Wenn ich es recht überlege, war es sogar in unserem eigenen Interesse, dass du Simon gewarnt hast, der die Warnung bestimmt weitergegeben hat. Denn je mehr Leute jetzt aus der Karawanserei ausbrechen, desto mehr werden Berechjas Handlanger zu tun bekommen. Und dass sie die Verfolgung aufnehmen und versuchen werden, uns wieder einzufangen, daran besteht für mich nicht der geringste Zweifel.«
Jona pflichtete ihm bei. »Umso wichtiger ist es, dass wir so schnell wie möglich in eine große Stadt wie Hebron oder besser noch Jerusalem kommen, wo wir untertauchen können.«
»Falsch!«, widersprach Timon sofort. »Abgesehen davon, dass sie genau damit rechnen und deshalb dort zuerst nach uns suchen werden, fallen zwei fremde, abgerissene und mittellose Gestalten dort viel eher auf als auf dem Land, wo sich doch vieles armes Volk herumtreibt. In der Stadt kennen sich die Leute eines jeden Viertels und wissen, wer zu ihnen gehört und wer nicht.«
»Da ist was Wahres dran«, räumte Jona widerstrebend ein. »Aber irgendwo im Bergland in einer der vielen Höhlen verstecken können wir uns auch nicht, weil wir doch kein Geld haben, um uns reichlich mit Vorräten einzudecken. Also, wohin sonst sollen wir deiner Meinung nach flüchten?«
»Dorthin, wo Berechja und seine Männer uns bestimmt nicht vermuten werden«, antwortete Timon. »Und deshalb schlage ich vor, dass wir uns auf den Weg nach Galiläa machen, jedoch nicht nach Sepphoris, sondern in die Gegend am See Genezareth, nördlich von Tiberias. Dort leben noch einige Verwandte von mir, bei denen wir am ehesten Unterkunft und vielleicht auch Arbeit finden.«
»Galiläa ist eine gute Idee, zumal wenn du da Verwandte hast!«, sagte Jona erleichtert, doch schon im nächsten Moment kamen ihm Bedenken. »Aber es ist ein langer Weg dorthin. Wir müssen dann durch Samaria, und du weißt ja bestimmt selber, wie verhasst wir Juden aus Judäa und Galiläa den Samaritern sind. Sie erkennen den Tempel in Jerusalem nicht als Heiligtum an und überfallen gern Leute wie uns.«
»Ich weiß«, sagte Timon gelassen.
»Und es kommt noch hinzu, dass wir uns kaum vor anderen Reisenden verstecken können«, wandte Jona weiterhin ein. »Zumindest für ein Stück des Weges müssen wir uns auf die via maris 19 begeben. Aber auch die anderen Handelsstraßen, auf denen wir uns auf dem Weg nach Norden halten müssen, sind ungemein belebt. Wir werden uns da sehr in Acht nehmen müssen, um von Berechjas Häschern nicht doch noch aufgespürt zu werden.«
»Sie werden uns nicht finden«, versicherte Timon. »Denn ich habe nicht vor, mich auf einer der üblichen Routen auf den Weg nach Galiläa zu machen. Die Route, die mir vorschwebt, wird uns zwar einiges abverlangen und auch um einiges länger dauern als jeder andere Weg, aber dafür wird es unseren Verfolgern auch nie und nimmer in den Sinn kommen, uns dort zu vermuten und zu suchen!«
Jona sah ihn verwundert an. »Und welche verborgene Route soll das sein?«
Timon schenkte ihm ein unbekümmertes Lächeln. »Na, die ganz im Osten - durch die Wüste von Judäa!«
ZWEITER TEIL
Durch die Wüste
1
V erdammter chamsin !«, fluchte Timon und wischte sich mit veinem Zipfel seines Kopftuches den Schweiß vom Gesicht. »Muss er ausgerechnet jetzt wehen, wo wir uns auf der Flucht befinden und wo so viel davon abhängt, dass wir einen möglichst großen Vorsprung herausschinden?«
So
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