Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
müde, wie auch ihr Schritt war, so müde zuckte Jona mit den Achseln. »Wer immer uns verfolgt, er wird unter dem Chamsin zum Glück nicht weniger zu leiden haben«, tröstete er sich, während sie wieder einmal eine steinige Hügelkette erklommen. Der trockene Wüstenwind, der schon den ganzen Tag beständig aus Osten wehte, kam aus den fernen glutheißen Einöden Arabiens und setzte ihnen in den letzten Stunden gehörig zu. »Außerdem bist du dir doch ziemlich sicher, dass man uns in dieser elenden Gegend zuallerletzt vermuten wird.«
»Das ist leider keine Gewähr dafür, dass wir hier nichts zu befürchten haben«, erwiderte Timon mürrisch, der unter dem Chamsin besonders litt, rief er bei ihm doch zusätzlich noch bohrende Kopfschmerzen hervor. »Nichts wäre dümmer, als jemanden wie Berechja zu unterschätzen.«
Jona verzog das Gesicht und erwiderte sarkastisch: »Danke für den Hinweis! Du verstehst es wirklich, einen nach einem schrecklich langen und mühsamen Tag aufzuheitern!« Kraftlos schleppte er sich die Steigung hoch.
Als sie Augenblicke später über die Kuppe der kargen Hügelgruppe kamen, auf der sich Dornengestrüpp und einige Krüppelbäume gegen die Unwirtlichkeit des Landes behaupteten, blieben sie stehen, um Atem zu holen.
»Sieh mal da!«, rief Timon plötzlich mit veränderter, lebhafter Stimme und wies voraus.
Unwillkürlich entfuhr Jona ein Seufzer der Erleichterung, als auch er im flirrenden Licht der schon tief stehenden, aber noch immer brennenden Sonne, etwa eine Meile von ihnen entfernt, eine kleine Ansammlung von Häusern liegen sah.
»Eine Siedlung!… Dem Himmel sei Dank!«, stöhnte er dankbar. »Das wurde auch Zeit!«
Ein breites Grinsen zeigte sich nun auf Timons Gesicht. »Ich habe dir doch gesagt, dass wir heute bestimmt noch auf die eine oder andere Ansiedlung stoßen werden und erst morgen in die richtige Wüste gelangen!«
»Von morgen und übermorgen lass uns nicht gerade jetzt reden«, sagte Jona, der alles andere als begeistert davon war, daran erinnert zu werden, dass das Gelände vom nächsten Tag an noch unwirtlicher sein würde und sie noch größere Strapazen auf sich nehmen mussten.
Ihnen brannten die Füße, waren sie doch schon vor dem Morgengrauen aufgebrochen und bis auf eine viel zu kurze Mittagspause den ganzen Tag hindurch marschiert. Und die beiden alten Wasserschläuche aus Ziegenleder, die sie am Tag ihrer Flucht einem fahrenden Händler an einer Wegkreuzung südlich von Hebron abgekauft hatten, mussten dringend aufgefüllt werden. Auch knurrte ihnen der Magen. Aber mit dem Hunger würden sie sich abfinden müssen. Ihr Proviant war zu kläglich und musste zudem noch Tage halten, als dass sie sich mehr als ein paar armselige Datteln zum Abendessen zugestehen durften.
Die Siedlung, die oberhalb eines Wadi lag, bestand aus gerade mal anderthalb Dutzend meist würfelförmigen Häusern, von denen gut die Hälfte an den Felswänden eines steil aufsteigenden Berghangs klebte. Bei diesen Wohnhöhlen, auf die man überall im Bergland von Judäa stieß, hatte man den Zugang zu der Höhle einfach durch eine Mauer aus Bruchsteinen abgeschlossen. Diese primitiven Wohnhöhlen waren im Sommer kühler und im Winter wärmer als frei stehende Häuser.
Manche Besitzer von solchen Heimstätten hatten den Wohnraum, den eine geräumige Felshöhle bot und der auch dem Vieh als Stall diente, noch etwas erweitert, indem sie die Öffnung nicht gleich an der Felskante mit einer Mauer verschlossen, sondern einen gemauerten Vorbau mit Seitenwänden vor den Eingang gesetzt hatten.
Die anderen, nicht weniger ärmlichen Häuser bestanden aus annähernd rechteckig zugeschlagenen Bruchsteinen und sonnengebrannten Lehmziegeln. Nur einige wiesen ein schmales Fenster auf, das durch ein Holzgitter gesichert war. Allen Häusern jedoch war gemein, dass eine Treppe aus Lehmziegeln oder eine Holzleiter an einer Außenwand auf das Flachdach führte, war das Dach doch in ganz Palästina der beliebteste Aufenthaltsort für die ganze Familie. Dorthin zog man sich gern zum Beten, zum Palavern, zu den Mahlzeiten, zum Feiern und zum Mittagsschlaf zurück, wenn die Temperaturen es zuließen.
Hinter der Siedlung, deren einzigen nennenswerten Schatten einige knorrige Akazien und Tamarisken sowie ein umzäunter Olivenhain spendeten, lagen erstaunlich gut bestellte Äcker und Felder, die von niedrigen Steinmauern eingefasst waren. Auch fiel der Blick auf einige Dutzend Schafe und Ziegen, die
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