Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
für mich das Leben bei ihnen noch nicht zu einer Freude machen!«
»Aber die gibt es!«, versicherte Timon nachdrücklich. »Es ist schon ein erhebendes Gefühl… dieses Gefühl der Gemeinschaft... und zu wissen, dass man zueinander gehört, der erbärmlichen und raffgierigen, selbstsüchtigen Welt jenseits von Qumran entronnen ist, zusammen die Gebete verrichtet, all diese wunderschönen Lieder singt und in der Gewissheit lebt, dass die Verwandlung der Welt naht und man zu jenen gehören wird, denen Gott am Tag des Weltgerichts die höchste Gnade erweisen wird.«
Bevor sie wieder aufbrachen, um sich mit Gerschon weiter durch das öde Gelände zu quälen, erzählte Timon noch von der großen Reinlichkeit in Qumran und den weißen, reinen Gewändern, in die sich die Essener kleideten. Er sprach zu Jonas stiller Verwunderung mit fast sehnsuchtsvoller Stimme von ihrem Zusammenleben und ihrer alltäglichen Arbeit, als wünschte er, nie mit seinem Vater aus der Gemeinschaft der Essener ausgestoßen worden zu sein.
Mitte des zweiten Tages fühlte sich Jona so erschöpft, dass er ernstlich versucht war, Timon in einer Pause leise den Vorschlag zu machen, Gerschon im Stich zu lassen und zu sehen, dass sie mit dem kläglichen Rest Wasser so schnell wie möglich die nächste Siedlung erreichten. Und er spürte, dass Timon nur darauf wartete, dass er das erste Wort sagte.
Doch er brachte es nicht über die Lippen.
Sie plagten sich weiter mit Gerschon ab, dessen Schwellung am Fuß nicht weiter das Bein hinaufkroch, sondern wundersamerweise sichtlich zurückging - wohl weil der Fuß keiner Belastung ausgesetzt war. Am Abend des zweiten Tages vermochte er sogar mit seinem Fuß aufzutreten, ohne dass ihm ein unerträglicher Schmerz die Tränen in die Augen trieb. Er war zwar noch immer stark behindert, aber es sah ganz danach aus, als hätte er das Schlimmste überstanden und als wäre die Wunde auf dem Weg der Heilung.
»Irgendwann morgen in der Mitte des Tages werden wir wohl die erste Siedlung erreichen«, sagte Timon, als sie Brot und Trockenfrüchte sowie einige Schlucke kostbaren Wassers miteinander teilten. Für den folgenden Tag blieben ihnen für jeden nur noch zwei, drei Mund voll. Und zu Gerschon gewandt, fügte er hinzu: »Dort trennen sich unsere Wege - und zwar noch bevor wir die Siedlung erreichen. Wir kennen dich nicht und haben dich nie gesehen!«
Gerschon verstand und nickte. »Keine Sorge, ich werde euch schon ein Wadi vor der Siedlung verlassen. Denn ich kenne dort eine Quelle, die das ganze Jahr hindurch fließt, aber nicht kräftig genug ist, um für einen beständigen Wasserlauf zu sorgen. Man muss sich in dem Gelände schon gut auskennen, um sie zu finden.«
»Umso besser«, sagte Timon nur, und dabei beließen sie es. Auch Jona wollte nichts Näheres über die Quelle in Erfahrung bringen und wieso Gerschon von ihr wusste. Sie waren alle zu erschöpft, um das Verlangen nach einem Gespräch zu haben. Zudem gab es nichts, was sie einander über die Notwendigkeiten ihres Überlebens hinaus zu sagen gehabt hätten.
Am frühen Nachmittag des nächsten heißen Sommertages erreichten sie, von fürchterlichem Durst gequält, das zerklüftete Wadi, wo Gerschon sie zu der Quelle führte. Sie entsprang in einer schmalen Seitenschlucht aus der Felswand und füllte unterhalb davon ein knietiefes Steinbecken, das gerade mal drei Ellen im Durchmesser betrug. Das überlaufende Wasser versickerte schon wenige Schritte weiter in einer felsigen Erdspalte.
»Für den Rest des Weges bist du auf dich allein gestellt. Wir müssen auch an unsere Haut denken. Und in deiner Gesellschaft gesehen zu werden erscheint uns nicht ratsam. So, hier ist dein Römerschwert, das du in einem Wadi gefunden haben willst, du... Töpfer !«, sagte Timon sarkastisch, nachdem sie ihre Wasserschläuche aufgefüllt und ihm schweren Herzens einen für seinen Weitermarsch überlassen hatten. »Bis zum Einbruch der Dunkelheit wirst du es wohl auch allein bis in die Siedlung geschafft haben.«
Gerschon dankte ihnen mit knappen, schlichten Worten und versicherte, dass er keine Sorge hatte, die kleine Ansiedlung am Rand der Ebene von Jericho aus eigenen Kräften zu erreichen. »In dieser Gegend kenne ich jeden Stein. Hier bin ich in Sicherheit. Außerdem habt ihr euch mehr als genug mit mir abgeplagt und viel für mich riskiert.«
»Ja, nicht weniger als unser Leben«, erwiderte Timon und wollte schon aufbrechen. Auch Jona hatte sich schon an
Weitere Kostenlose Bücher