Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
los. Auch er schrie, was seine Lungen hergaben. Aber nicht weil ihn die Mordlust antrieb, sondern weil seine fast unerträgliche Anspannung sich einfach Luft machen musste - und weil er seine Angst übertönen wollte. Doch während Timon und die anderen weiter vorstürmten, blieb er schon nach wenigen Schritten stehen. Er vermochte sich einfach nicht dazu zu bringen, mit der Streitaxt weiter auf die in Panik aufspringenden Soldaten zuzulaufen.
    Wie gelähmt stand er neben einer Akazie, als das fürchterliche Blutvergießen begann. Ihm war, als durchlebte er einen Albtraum, wie er erschreckender und abstoßender nicht hätte sein können. Er sah ein wildes Durcheinander von Männern, sah im Schein des Feuers aufblitzende Schwerter, die sich in Leiber bohrten und tödliche Hiebe austeilten, sah niederstürzende Männer und hörte grauenvolle Schreie. Sein Blick fiel kurz auf seinen Freund Timon, der sich beim Fuhrwerk einem flüchtenden Soldaten in den Weg stellte und mit seinem Schwert nach ihm stieß. Der Mann brüllte vor Schmerz auf und stürzte neben dem Wagen zu Boden. Schon im nächsten Augenblick rannte Timon weiter.
    Das Entsetzen schien Jona die Luft abzudrücken. Dass er seine Streitaxt fallen ließ, sich die Hände auf die Ohren presste und die Augen schloss, wurde ihm selbst gar nicht bewusst. Er sah noch immer die grauenvollen Bilder vor seinem Auge und hörte die Schreie. Die Zeit verlor jegliche Bedeutung. Jeder Schrei schien Ewigkeiten in ihm nachzuhallen.
    Plötzlich erhielt er einen wuchtigen Faustschlag vor die Brust, der ihn gegen den Stamm der Akazie schleuderte. Er riss die Augen auf. Barabbas stand vor ihm, das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzerrt. Die grässlichen Schreie waren verstummt. Übelkeit übermannte ihn. Zitternd sank er auf die Knie und erbrach sich, während Barabbas über ihm stand und ihn anbrüllte.
    »Du elender Versager! Ich habe sehr wohl gesehen, dass du dich nicht von der Stelle gerührt hast! Lässt einfach seine Waffe fallen und hält sich Augen und Ohren zu, während wir mit den Römern kämpfen! Unglaublich ist das! Im Stich gelassen hast du uns, hast dir vor Angst in die Hosen gemacht wie ein Wickelkind! Und du willst ein Zelot sein? Du bist ja schlimmer als ein altes, jammerndes Waschweib!«
    Gerschon eilte zu ihnen. »Lass ihn, Barabbas! Es ist nicht jeder gleich zum Töten geboren so wie du! Beim ersten Mal ist es mir auch schwer auf den Magen geschlagen«, sagte er besänftigend. »Er wird es auch noch lernen.«
    »Verdammter Schwächling!« Barabbas versetzte ihm einen Tritt in die Seite.
    »Lass es gut sein!« Gerschon stellte sich zwischen sie und schob Barabbas weg. »Es kam ja nicht auf ihn an. Wir sind auch so im Handumdrehen mit den Legionären fertig geworden.«
    »Wenn das noch einmal passiert, muss er durch die Knüppelgasse!«, drohte Barabbas und meinte damit jene brutale Bestrafung, bei der der Verurteilte durch eine Gasse von auf ihn einprügelnden Zeloten laufen musste.
    »Es wird bestimmt nicht ein zweites Mal passieren. Und jetzt lass ihn endlich in Ruhe. Immerhin hat er mir das Leben gerettet und das zählt nicht wenig. Wir haben genug anderes zu tun. Jona wird zur Strafe all unsere Wasserschläuche hinten bei der Quelle auffüllen«, sagte Gerschon schnell. »Da hat er Zeit, sich über sein Versagen Gedanken zu machen.«
    Barabbas bedachte Jona noch mit einer lästerlichen Verwünschung, ließ dann aber von ihm ab.
    Elend und beschämt kauerte Jona am Stamm der Akazie, während die Zeloten die Waffen ihrer Feinde einsammelten und die Ladung auf dem Fuhrwerk inspizierten. Die Fässer waren mit bestem Wein gefüllt, wie die Männer unter großem Jubel feststellten.
    »Zwei Fässer behalten wir für uns!«, entschied Barabbas. »Die anderen verkaufen wir mit dem Fuhrwerk an unseren Hehler in Sekaja! Aber zuerst schafft die Leichen weg! Werft sie drüben in die tiefe Felsspalte!«
    Timon kam mit hängenden Schultern und schweren Schritten, als kostete ihn das Gehen seine letzte Kraft, zu Jona herüber. Er ließ sein blutbeflecktes Schwert achtlos in den Dreck fallen und setzte sich zu ihm.
    »Ich wünschte, die Erde würde sich auftun und mich verschlucken«, murmelte Jona und wagte nicht, seinen Freund anzublicken. »Ich... ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist, Timon. Ich konnte nicht… war einfach wie… wie gelähmt. Ich... ich schäme mich so.«
    Timon legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wenn einer Grund hat, sich zu schämen,

Weitere Kostenlose Bücher