Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Barabbas sowie die anderen Zeloten aus den Augen zu lassen. »Binde ihm die Hände auf den Rücken. Wir wollen doch nicht, dass er in Versuchung gerät, sein Leben zu verspielen!«
Jona legte Schwert und Dolch beiseite, riss dem Zelotenanführer die Stirnkordel vom Kopf und fesselte ihm die Arme. Dann nahm er Schwert und Dolch rasch wieder an sich.
»Schärf deinen Leuten noch mal ein, dass sie uns nicht folgen!«, forderte Timon ihren Gefangenen auf.
Zähneknirschend tat Barabbas, was Timon ihm befohlen hatte, und dann zogen sie mit ihm in ihrer Mitte ab. Sie folgten der Landstraße nach Norden, wichen jedoch sofort von ihr ab, als sie sich außer Sichtweite der Zeloten befanden, und bewegten sich parallel zur Straße, aber doch weit genug von ihr entfernt, um nicht die Aufmerksamkeit von Reisenden zu erregen, und die wäre ihnen mit einem gefesselten Mann in ihrer Mitte garantiert gewesen.
Sie trieben Barabbas zur Eile an, der in stummer Wut zwischen ihnen lief. Nach gut anderthalb schweißtreibenden Stunden hielten sie den rechten Zeitpunkt für gekommen, Barabbas sich selbst zu überlassen. Denn nun war es bis in die Oasenstadt Jericho nicht mehr weit. Von den Zeloten hatten sie hier gewiss nichts mehr zu befürchten.
Sie führten Barabbas in eine tief gelegene Mulde und banden ihm dort mit seinem Kopftuch noch die Füße zusammen, aber nicht so fest, als dass er sich nicht mit einiger Anstrengung von der Fessel befreien konnte.
»So, hier trennen sich unsere Wege. Einen bekömmlichen Fußmarsch zurück zu deinen Kumpanen, Barabbas«, sagte Timon mit spöttischer Zufriedenheit, während Jona das Schwert und den Dolch weit von sich schleuderte.
»Dafür werdet ihr mit eurem Blut bezahlen!«, schrie Barabbas ihnen mit flammendem Hass hinterher. »Eines Tages! Irgendwann treffe ich wieder auf euch! Dann wird abgerechnet - und zwar nach dem Gesetz der Sica!«
FÜNFTER TEIL
Galiläa
1
D as galiläische Dorf Hazar-Iram lag einige Meilen westlich vom See Genezareth an der Landstraße, die von Tiberias, der neuen Residenzstadt des Herodes Antipas, zur alten Metropole Sepphoris hinaufführte.
»Da ist es!«, rief Timon freudig erregt. Der dichte Olivenhain, durch den der Pfad sie geführt hatte, gab sie frei, und vor ihnen in der Senke lag das Dorf, in dem er aufgewachsen war. »Das ist mein Heimatdorf!«
Sie blieben kurz stehen und gönnten sich eine Atempause. Gute dreieinhalb Tage waren sie seit ihrer Flucht vor den Zeloten stramm marschiert und hatten sich nur wenig Zeit zum Rasten und Schlafen gegönnt.
»Ich weiß, viel macht es nicht her«, sagte Timon schnell, bevor Jona noch etwas sagen konnte. »Aber dort in dem Dorf habe ich meine Jugend verbracht, und ich habe viele schöne Erinnerungen an die Zeit, bis dann die Soldaten des Herodes kamen und jeder zweiten Familie befahlen, ihre Sachen zu packen und nach Tiberias umzusiedeln.«
»Ich bin sicher, dass es sich hier gut leben ließ, und das Land sieht gut bestellt aus«, sagte Jona verständnisvoll, obwohl Hazar-Iram sich für ihn natürlich kaum von den vielen anderen kleineren Siedlungen unterschied, durch die sie bisher auf ihrem Weg durch das fruchtbare Galiläa gekommen waren. Die Felder der Kleinbauern waren wie überall im Land, wo sich nicht die Ländereien von Großgrundbesitzern dehnten, so weit das Auge reichte. Sie ähnelten einem Fleckenteppich, waren von kleinen Mauern aus Feldsteinen umgrenzt und durchzogen von einem System von Bewässerungskanälen sowie steinigen Wegen und Trampelpfaden.
Timon hatte es nun eilig, zum Haus seines Onkels mütterlicherseits zu kommen. Zielstrebig durchquerte er mit Jona das Dorf, erkannte hier eine Werkstatt und dort ein Wohnhaus und führte ihn zu einem Lehmhaus, das am nördlichen Rand des Dorfes lag.
Vor dem Haus saß eine grauhaarige Frau. Sie hockte vor einer steinernen Handmühle, mahlte Gerste zu Mehl und war ganz in ihre Tätigkeit vertieft, als sie sich ihr näherten. Als Timons und Jonas lange Schatten auf sie fielen, blickte sie auf.
»Was wünscht ihr?«, fragte sie freundlich, aber mit einer gewissen Zurückhaltung, so wie man Fremden begegnetete, wenn man in seinem Leben zwar viel Bitteres erlebt hatte, aber nicht bereit war, in jedem Ortsfremden gleich das Schlechte zu sehen.
Timon lächelte sie an. »Du bist grau geworden.«
Die Frau legte die Stirn in tiefe Falten und sah ihn eindringlich an. »Wir kennen uns?«, fragte sie verunsichert, ließ die Handmühle ruhen und richtete
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