Der geheime Basar
verbirgt sich etwas, irgendetwas lastet auf ihr. Als sie sich wieder beruhigt hatte, flüsterte sie mir zu: «Dieser Schnecke verheißt nichts Gutes.»
Zahra überging das alles und sagte geringschätzig: «Nun, genug jetzt mit Zeitverschwenden, das Volk ist mit seiner Rente beschäftigt.»
Wir versammelten uns also vor dem neuen Bildschirm, und ich schloss die letzten Kabel an, während Zahra Pudding servierte. «Einen Moment, Zahra, du wirst dich nicht vor der Rede drücken», rief Frau Safureh plötzlich aus. «Hier ist unbedingt eine kleine Rede gefordert.»
«Aber was habe ich denn schon zu sagen? Nichts.»
«Gibt es etwas, das uns hier mehr an die Stürme erinnert, die über uns alle hinweggefegt sind, als dieser Film? Gib uns ein paar Akzente und Interpretationen, Zahra, steigere unsere Erwartung.»
«Das Rex-Kino wurde niedergebrannt», fasste sie kühl und knapp zusammen, «das Volk verdächtigte die grausamen Sicherheitsagenten des Schahs, den Savak. Der Zorn entzündete sich, nichts wurde wieder so, wie es war. Die Revolution kam.»
«Nein, das kann man nicht Rede nennen», murrten wir alle.
«Vielleicht stellt ihr Fragen?» Zahra wand sich, doch ich spürte, dass sie wirklich wollte, dass wir fragten.
«Wie habt ihr euch gefühlt, als das Ende kam?», fragte ich.
«Das Ende?», echote sie.
«Das heißt, habt ihr begriffen, dass es das Ende ist?»
«Es gab viele Enden. Jedes Mal, wenn ich dachte, es sei zu Ende, kam noch ein Ende daher. Ich bemühte mich, die Theatralik der Geschichte zu würdigen. Eine Schauspielerin vermag solche Dinge schließlich zu schätzen, ebenso wie es der Pöbel versteht, süchtig danach zu werden. Wir waren dabei, als die älteste Dynastie der Welt unterging, vielleicht haben wir ihr Verschwinden verursacht. Zwei Millionen Menschen drängten sich auf dem Azadi-Platz, sahen, wie die Soldaten vor ihnen aufgaben und sich weigerten, das Feuer zu eröffnen. Wer war nicht im Rausch? Und dann ging Muhammad Reza, ein schwer krebskranker König, der in seinen Tod flog, und für zwei Wochen liefen wir in einem gespensterhaften Land herum, einem verlassenen Land, das nicht gewohnt war, ohne Vater zu leben, und keine Ahnung hatte, wie der nächste Morgen aussähe. Paniktrunkene Kinder. Sie demonstrierten um der Demonstrationen willen, um etwas abzuschütteln. Warteten auf ein überraschendes Schicksal, waren wütend, wenn die Erde mal nicht bebte. Arian sagte, es gibt keinen bewegenderen Krieg als den Krieg für die Gerechtigkeit. Aber alles war doch gut für uns, wieso wird das jetzt alles aufs Spiel gesetzt? Wir waren abgestumpft. Jeder tötete jeden, Schießsalven durchbrachen regelmäßig unser Leben. Das Grab von Reza Schah, dem Vater, wurde von einem städtischen Bulldozer einplaniert, und darauf wurde ein öffentliches Pissoir zur Freude des Pöbels eingeweiht. Einen Augenblick – Freudenwellen. Im nächsten – Erstarrung vor einer profanierten Leiche. Danach blieb die Welt stehen. Wir schlossen uns in der Wohnung ein. Drei Jahre wurde kein einziger Kinofilm gezeigt. Eine Industrie von siebzig Filmen pro Jahr starb einen schweigenden Tod – wer brauchte noch Drehbücher? Die Schauprozesse im Fernsehen waren mehr als ausreichend für die Masse. Und dann brach der Krieg aus, und Chomeini verfügte eine Erneuerung der Filmindustrie, islamisch und pädagogisch. Arian ging zum Kulturministerium, zum Zensurausschuss, erklärte ihnen, dass ich bereit sei, alles zu machen, man müsse mir nur eine Chance geben. Ich erstickte fast vor Sehnsucht, ich musste so unbedingt spielen, dass ich bereit war, mir meinen Weg durch die Ruhmesfilme für die Revolution und den Krieg zu bahnen. Abadan brannte bis auf die Grundfesten nieder, und hier in Teheran heulten nachts die Sirenen, was hieß, Schutzräume, Raketen aus dem Irak. Wir waren ein betäubtes, von Schrecken überwältigtes und stolzes Volk. Haargenau, wie sie uns haben wollten. Im Schutz der existenziellen Angst erwuchs eine neue Geheimpolizei in unserer Mitte. Überwachen, abhören, hastige Hinrichtungen. Danach überzeugte ich mich selbst, dass es uns gutging. Arian und mir. Der Irrsinn draußen trieb uns dazu, uns zu Hause einzulullen, einer den anderen. Wer will überhaupt diesen wilden Wettlauf um die Gunst des undankbaren Publikums, diese Unterwerfung, diese Angst, es zu verlieren, da ist es besser, es zu verlieren und Schluss damit. Ich hatte Arian, der mich liebte und in meinen Armen einschlief, und sieh an, es war
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