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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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mit der Heimkinoausrüstung nach Hause zurückkehrten, hockte der fette Mas’ud Nadschafian zusammengeballt und angespannt auf seinem kleinen Teppichvorleger und verfolgte mit höchster Aufmerksamkeit, wer alles die Treppen hinaufstieg und sich in der Wohnung versammelte. Ein Paar nackte Stricknadeln lagen neben ihm auf die Marmorplatten geworfen, samt einem Knäuel brauner Wolle, das darauf wartete, verstrickt zu werden. «Verflucht sei sein Name», sagte Zahra geringschätzig, «wenn sie uns nach dieser Nacht verhaften sollten, gehe ich zufrieden in den Folterkeller.»
    Frau Safureh erschien glanzvoll, die Augen schwarz geschminkt. Sie war aufgeregt. Und Babak sah aus wie ein spanischer Filmstar, ein Schlawiner mit seinen gegelten Haaren und dem Schmetterlingsanhänger, der auf seiner entblößten Brust ruhte, zwischen den offen gelassenen Knöpfen seines violetten Hemds. Duftkerzen waren überall im Raum verteilt, Servietten, zu Schwänen gefaltet, zierten den Tisch. Und dann kam Nilu, eine leuchtende Prinzessin in einem blauen Kleid, das uns alle verblassen ließ. Sie erfüllte die Wohnung mit Wärme und fügte sich in unseren geschlossenen Club ein wie eine verlorene, lang vermisste Tochter. Sie zog eine dickbauchige Flasche Champagner aus einer sorgfältig versiegelten Tüte, in einer anderen Tüte versteckte sich ein Buch für Zahra, ein prachtvoller Fotoband: «Hundert Jahre iranisches Kino – die Highlights.» Zahra streichelte die glatten Hochglanzseiten, sog den frischen Druckgeruch ein, sprang zwischen den Jahren, zwischen den Bildern der strahlenden Porträts hin und her. Und da war sie. Hingegossen über zwei Seiten – «Aufstieg, Fall und Verschwinden», so lautete die Überschrift. «Eine Publikation aus Paris», erklärte Nilu. Ich fürchtete, dass Zahra schmerzlich berührt sein, sich verschließen würde, doch Nilus sanfte, heiter sprudelnde Stimme dirigierte sie zu den positiven Gefühlen, Glück und vielleicht sogar Dankbarkeit über den Platz, den man ihr vorbehalten hatte. Sie blätterte weiter, um zu sehen, wer von den Freunden noch dabei war. Komplette Seiten waren neuen Filmen gewidmet, von denen wir nie etwas gehört oder gesehen hatten, sich verneigende Kritiken der Crème de la Crème der Weltpresse, iranische Filme, junge iranische Regisseure.
    «Aber wer sind die alle?», fragte Zahra erstaunt.
    «Werke, die hier gefilmt, aber nicht gezeigt werden dürfen», erwiderte Nilu, «sie sind nur für den Export.»
    Frau Safureh setzte ihre Intellektuellenstimme auf: «Und wo waren Sie schon in der Welt, meine Liebe?»
    «Das letzte Rennen hat mich nach Brasilien geführt», antwortete Nilu, darum bemüht, potenzielle Neidgefühle zu bannen.
    «Dann haben Sie sicher von den Tausenden Pinguinen gehört, die an die tropischen Strände Rio de Janeiros getragen wurden? Sie sind von der Strömung mitgespült worden, die armen Tiere, öldurchtränkt, erschöpft, hungrig, denn die Jäger und Fischer in der Antarktis vernichten ihre Nahrungsquellen. Was für ein Unglück. Viele sind unterwegs gestorben oder mit Frachtern zusammengestoßen und an die Küste geschwemmt worden, flügellose Vogelkadaver. Und die Tiere, die überlebt haben? Sie können sich vorstellen, wie sie mitten im Karneval herumirren, Tausende frustrierte Pinguine.»
    «Und was werden sie mit ihnen in Brasilien anfangen?», fragte Nilu neugierig.
    «Keine Bange», beruhigte sie Frau Safureh, «ich habe mich informiert, der World Wildlife Fund hat eine Operation gestartet, eine Luftkarawane militärischer Transportflugzeuge wird sie in die Freiheit fliegen. Um ehrlich zu sein, ich habe selbst schon erwogen, in Brasilien zu leben, in Curitiba, der grünen Stadt, falls Sie die kennen, eine der effektivsten und umweltfreundlichsten der Welt.»
    Je mehr Nilu sich anstrengte, interessiert zu wirken, desto schneller sprach Frau Safureh, als versuchte sie, alle ihre Kenntnisse von diesem Erdball noch loszuwerden, bevor ihre Zeit ablief. «Die Wahrheit ist», fuhr sie fort, «es ist an uns allen, als Weltbürger besorgt zu sein in dieser Zeit, haben Sie gehört, Fräulein Chalidian, dass die Chinesen Afrika übernehmen? Genau so, wie es klingt, ohne dass ihnen irgendjemand Einhalt gebietet, sie kaufen den Kontinent auf, Quellen, Eigentum, Firmen, Regierungen, saugen alles ein, was da ist. Wer Afrika heutzutage bereist, wird seinen Augen nicht trauen. Aber das ist anscheinend der Lauf der Welt. Die Afrikaner waren Sklaven und werden es

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