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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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halten. Sie beteuerte, er brauche sie nicht zu begleiten, aber er gab keine Antwort. Sie war ihm dankbar, dass sie an der Reling standen, statt unter Deck Schutz zu suchen. Der Anker glänzte schwarz in der Dunkelheit, während Restaurants und Kneipen leer vor sich hinstarrten. Erst gegen Ende des Spaziergangs erwachte sie zum Leben, nass von Wind und einem stetigen Regen.
    Das Haus war dunkel. Sie hatte vergessen, die Lampen brennen zu lassen. Niklas kam mit herein. Er holte nach, was sie versäumt hatte, und bald leuchtete im Schlafzimmer ein gemütliches Licht. Der Regen hatte Niklas’ Haare so angefeuchtet, dass sie an seinen Wangen klebten. Die weißen Strähnen waren nicht mehr zu erkennen.

    »Ich finde es nicht gut, dass du hier allein schläfst. Nicht, weil irgendeine Gefahr besteht, aber ich denke …«
    »Dass ich eine Dummheit begehen könnte?«
    »Vielleicht nicht begehen. Aber daran denken.«
    »Wenn du das Handy auf den Nachttisch legst, dann ist das Hilfe genug für mich.«
    »Versprochen.«
    Erst, als sie sich mit abgewandtem Gesicht noch einmal für den Abend bedankt hatte und als Niklas schon fast außer Sichtweite verschwunden war, fiel es ihr ein. Sie öffnete die Tür und rief hinter ihm her:
    »Niklas! Warst du hier im Schuppen und hast ihn nicht abgeschlossen? «
    Er schien sie nicht gehört zu haben. Sie wollte ihre Frage wiederholen. Dann glaubte sie zu hören, dass er etwas zurückrief. Aber der Wind war so kräftig, dass er seine Stimme verzerrte. Sie schien überhaupt nicht Niklas zu gehören, klang sehr viel heller. Als stamme sie von einem klagenden Seevogel. Oder einer einsamen Frau.

     
     
     
    »Der Kampfeswille beruht darauf, dass nicht einmal zahlenmäßig Unterlegene einen Angriff zu fürchten brauchen, wenn der Wunsch zu siegen von einer überzeugten Besatzung getragen wird, vom Vertrauen in die Ausrüstung und dem Wissen, perfekt vorbereitet zu sein.«
     
    Reinhard Scheer, Admiral der Kaiserlichen Hochseeflotte

Kapitel 7
2007
    Sie schlief schlecht, schwitzte und stand um sechs Uhr auf. Nervös überlegte sie, ob sie einen Spaziergang machen sollte. Der Regen schien nachzulassen. Sie könnte dem Rundweg um die Insel folgen. Sie würde nicht fotografieren, aber wenigstens beobachten, wie es über dem Wasser hell wurde. Vielleicht zum Leuchtturm von Skallen weitergehen und die Angst hinter sich lassen.
    Wenn nicht der Meerblick von der gestrigen Lektüre verdüstert würde. Die Leichen junger Männer, die an die Felsen getrieben wurden und sich in den Fischernetzen verfingen, schwer verstümmelt von den Kämpfen auf See und den Schnäbeln der Seevögel. Im Traum hatte sie gesehen, wie sich die Wellen belebten, wie Menschen in Todesangst mit den Armen fuchtelten und um Hilfe schrien, ehe sie komplett unter Wasser verschwanden.
    Sie kochte Tee, wollte aber kein Feuer im Kamin machen. Stattdessen zündete sie eine Kerze an und starrte aus dem Fenster. Die Zeit eilte davon und kehrte erst zurück, als Solveig anrief.
    »Ich habe die alten Adressbücher meines Vaters gefunden«, sagte sie zufrieden. »Jetzt bin ich froh darüber, dass ich sie nicht weggeworfen habe. Und dann habe ich mich an Bekannte von Bekannten gewandt und die Adresse von einer Enkelin von Lea
erhalten. Sie heißt Sara Moréus und wohnte in Malmö. Sie arbeitete als Gärtnerin. Leas Sohn hatte offenbar mit einer Menge Frauen eine Menge Kinder. Er muss etwas Besonderes gewesen sein. Eine der Frauen, mit denen ich sprach, schwärmte in höchsten Tönen von ihm.«
    »Kann ich die Nummer haben?«
    Solveig wollte wissen, wie es ihr ging, und Inga versicherte, alles sei in Ordnung. Dann legten sie auf. Ehe sie sich die Sache überlegen konnte, wählte sie die eben notierte Nummer.
    »Hallo, hier ist Sara.«
    »Spreche ich mit Sara Moréus?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Hallo. Ich heiße Inga Rasmundsen und rufe aus Marstrand an. Du weißt nicht, wer ich bin. Aber ich habe deine Nummer von einer alten Verwandten bekommen. Es geht um einen Brief, den ich hier gefunden habe und der möglicherweise von deiner Großmutter stammt.«
    »Von meiner Großmutter?«
    Die Stimme klang abwartend. Inga konnte ihr deswegen keinen Vorwurf machen. Sie erzählte, wer sie war und wie sie den Brief gefunden hatte, der vermutlich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts von einer Missionarin geschrieben worden war. Alles weise daraufhin, dass der Brief von einer Frau namens Lea stamme, einer engen Freundin ihrer Großmutter.
    »Die Sprache ist

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