Der geheime Name: Roman (German Edition)
betrachtete Mora noch einen Moment und drehte sich zu ihr um. Ein seltsames Schimmern lag in seinen grauen Augen. Eine Spur von väterlicher Zuneigung?
Fina konnte nicht sagen, was es war.
»Wenn er sich eilt, wird er den Diener vielleicht retten können.« Er streckte seine Finger nach Finas Hand aus. »Wenn sein Weibchen es wünscht, mehr Zeit mit ihm zu verbringen …« Er legte seine Hand um ihre, strich mit seinem sechsten Finger über ihr Handgelenk. »Wie könnte er ihr den Wunsch abschlagen?«
Fina zwang sich, nicht zurückzuzucken, bemühte sich um ein Lächeln.
Der Alte sah zu ihr auf, entblößte sein breites Gebiss.
Schließlich zog er seine Hand zurück und ging zur Tür. »So wache sie über den Diener. Er geht etwas holen.«
* * *
Die grüne, glitschige Paste, die der Geheime auf Moras Haut strich, schien zu leben. Als würde sie aus winzigen Würmern bestehen, kroch die Masse in einer ständigen Bewegung umeinander, schloss die letzten Lücken über Moras Rücken und fraß sich an den Wunden entlang, bis zu seinem Bauch.
»Was ist das?« Finas Stimme vibrierte. Sie konnte das Zeug kaum aus den Augen lassen, während sie neben Moras Lager hockte, auf das der Alte ihn gebettet hatte. Fast fürchtete sie, der grüne Schleim könnte Moras Körper ganz umschlingen und auffressen.
Der Geheime giggerte, verstrich den letzten Rest aus seiner Schale. »Was das ist, will sie wissen?« Er wusch sich die Hände in einer Schüssel und kicherte, als würde er über einen Witz lachen, den nur er verstand.
Ein kaum hörbares Surren zischte aus der Schüssel. Die grünen Schleimspuren schwammen umeinander, drehten muntere Wirbel im Wasser, als wäre es ein Planschbecken.
»Kennt sie nicht die Helfer des Moores – Wesen, die weder Pflanze sind noch Tier und dennoch beides zugleich?« Die Stimme des Alten knarrte. Er sah sie an und schenkte ihr ein mitleidiges Grinsen. »O nein, natürlich kennt sie so etwas nicht. Nichts, was den Menschen so große Furcht einflößt, lebt noch in ihrer Welt.« Er stand auf, trug die Schale zum Feuer und schüttete das Wasser hinein.
Ein panisches Quietschen mischte sich in das Zischen der Flammen, nur Sekunden, bevor das Geräusch verstummte.
Der Alte sprang zu Fina herum, seine Augen funkelten sie an. »Nur ihre Hexen wussten sie zu nutzen – bis ihr Menschenvolk beides gemeinsam vernichtet hat.«
Fina schnappte nach Luft. Nicht wir, nicht ich, das ist lange her. Die Worte lagen ihr auf der Zunge. »Das haben die Menschen früher getan. Jetzt wissen wir, dass unsere Vorfahren unrecht hatten.« Sie flüsterte, konnte sich nicht beherrschen, wenigstens das zu sagen.
Der Geheime kicherte. »Oh, törichtes Weibchen. So muss sie sich doch nicht rechtfertigen!« Er legte den Kopf zur Seite, sprach so leise weiter, dass sie angestrengt zuhören musste, um seine Worte zu verstehen. »Alles, was großen Nutzen verspricht, birgt auch große Gefahr. Alles, was sich kontrollieren lässt, kann außer Kontrolle geraten. Die Menschen vergessen gern die Gefahr, wenn sie den Nutzen sehen – oder misstrauen dem Nutzen, wenn der, der ihn kontrolliert, auch ein Feind sein könnte.«
Fina erstarrte. Worüber sprach er? Darüber, dass die grünen Biester nicht nur Nutzen, sondern auch Schaden anrichten konnten? Oder darüber, dass er selbst den Schaden provozierte – weil er ihr Feind war und im Grunde nur Moras Tod wollte.
Ihr Blick kehrte zurück zu Mora, beobachtete das Gewimmel auf seiner Haut. »Was machen sie mit ihm?« Ihre Stimme zitterte.
Der Geheime huschte näher, ging neben Moras Lager in die Hocke und betrachtete die Helfer so voller Stolz, als wären sie seine Kinderchen. »Sie nähren sich von der Fäulnis seiner Wunden, fressen das giftige Sekret und wachsen daran. Sie sind seine letzte Rettung oder sein Tod.« Er kicherte, schloss die Lider halb über seinen Tischtennisballaugen und blinzelte Fina an. »Sie folgen der Fäulnis bis in jeden Winkel – auch in sein Blut, wenn sie schon bis dorthin vorgedrungen ist. Dort fressen sie und wachsen, bringen seine Adern zum Platzen, bis sein Körper stirbt und fault und sie das Menschenscheusal ganz fressen können.«
Fina wich seinem Blick aus. Er war derjenige, der kontrollierte, er war der Feind – sie hatte ihn um Hilfe gebeten, und er nutzte es, um seinen Angriff darunter zu tarnen.
Das Lachen des Wichtes schallte durch die Hütte. Er sprang auf und lief zur Tür. »Oh. Sie hat recht. Er hat so viel zu tun,
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