Der geheime Name: Roman (German Edition)
seit sein Diener nicht mehr für ihn arbeitet. Achte sie doch darauf, die Helfer rechtzeitig von seinem Rücken zu waschen. Bevor sie in seiner Haut verschwinden – und bevor sie beginnen zu wachsen.« Ein haltloses Kichern folgte auf seine Worte, Sekunden, bevor er die Hütte verließ und die Tür hinter sich zuschlug.
Fina zuckte zusammen. Das Lachen des Wichtes hallte draußen durch den Wald, trieb rasend schnell davon und löste sich in weiter Ferne auf.
Fina starrte auf Moras Rücken, auf das gefräßige Gewimmel. Ihr Herzschlag tobte, fegte heißes Blut durch ihre Adern und trieb Schweiß über ihre Haut. Jetzt hing alles an ihr, daran, ob sie den richtigen Moment erkannte. Wenn sie die Biester zu spät abwusch, würden sie Mora innerlich verbluten lassen, und wenn sie es zu früh tat, würde die Sepsis ihn vergiften.
Alles in ihr wollte heulen, wollte die Ungerechtigkeit hinter dem Monster herschreien, das draußen in den Wald entschwunden war. Doch sie durfte weder ihre Tränen zulassen, die nur ihre Sicht vernebelten, noch durfte sie den Zorn des Alten auf sich ziehen.
Stattdessen starrte sie weiter auf den grünen Schleim, bemühte sich, die einzelnen Individuen darin auszumachen. Sie musste erkennen, wann sie anfingen zu wachsen, musste beobachten, ob die Masse weniger wurde. Wie es wohl aussah, wenn die Biester in Moras Blut eindrangen?
Die Masse waberte und flirrte, sammelte sich entlang der Wunden und floss wieder auseinander.
Fina blinzelte, strich sich die Tränen aus den Augen und versuchte, sich besser zu konzentrieren. Plötzlich erschien ihr der Schleim klumpig, so ähnlich wie geronnene Milch, die sich zu kleinen Häufchen zusammenschloss.
Jetzt! Sie fingen an zu wachsen!
Hastig tauchte Fina das Tuch in die Wasserschüssel, wrang es aus und wischte über Moras Rücken. Die Biester zischten, während sie das Tuch in der Schüssel auswusch. Das Geräusch vibrierte im Wasser, sirrte durch ihre Finger und sträubte die Haare an ihren Armen. Die Helfer wollten nicht abgewaschen werden. Fina ahnte ihren Hunger, ahnte es in der seltsamen Formation, mit der die grünen Schlieren zurück zu ihrer Hand strebten, in der Art, wie sich der Schleim daran klammerte, als wollte er wieder zu seinem Opfer zurückkehren. Fina nahm die zweite Hand zu Hilfe, wischte die Biester mit dem Tuch von ihrer Haut und versuchte, sie im Wasser abzuschütteln, ohne hineinzufassen. Doch das Zeug blieb hartnäckig, schwamm immer wieder zum Tuch zurück, ganz gleich wie rasch sie es abstreifte.
»Verflucht!« Finas Nackenhaare stellten sich auf, der Schweiß lief in einem Rinnsal über ihren Rücken. Die Viecher mussten intelligent sein, erstaunlich intelligent für so winzige Organismen.
Sie hatte keine Chance, das Tuch sauber zu bekommen. Sie musste es im Wasser lassen, musste ein neues nehmen.
Fina sah sich um. Der Geheime schien nicht gerade üppig mit Tüchern ausgestattet zu sein. Oder er hatte sie absichtlich vor ihr verborgen.
Fina zog sich hastig den Pulli aus, das T-Shirt und ihr Unterhemd. Schließlich streifte sie den Pulli wieder über und begann, ihre Unterwäsche in Stücke zu reißen. Sie zog den Wasserkrug heran, aus dem sie Mora eigentlich zu trinken geben wollte, und tauchte die Stofffetzen hinein.
Die Klümpchen auf Moras Rücken waren noch größer geworden, entfernten sich von seinen Wunden, als wären sie auf der Suche nach neuer Nahrung. Die Biester strebten nach oben, über Moras Nacken zu seinem Gesicht. Was wollten sie dort? Was würden sie mit ihm tun, wenn sie in seine Nase krochen, in seinen Mund? Wie sollte sie die Biester aus seinen Ohren entfernen, wenn sie dort hineinschlüpften?
Sie musste sie aufhalten! Fina wischte über seine Wangen, über seinen Nacken, seinen Hals entlang. Immer schneller fuhr sie über Moras Haut, über seinen Rücken. Auch den letzten Winkel seiner Wunden musste sie erwischen, auch die letzte grüne Spur, bevor sie sich neue Nahrung innerhalb seines Körpers suchten.
Mora stöhnte unter dem kalten Wasser auf. Aber Fina hatte keine Zeit, um warmes zu holen. Sie nahm immer neue Stofffetzen, tauchte sie in den kalten Krug …
Sie wischte noch über seine Haut, als sie schon lange keinen grünen Schleim mehr entdeckte. Erst, nachdem der letzte Stofffetzen verbraucht war und die Tränen vollends ihre Sicht vernebelten, sackte ihr Arm erschöpft zu Boden.
Dabei konnte sie nicht einmal sagen, ob sie es geschafft hatte. Was, wenn die winzigen Monster schon in
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