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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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seinem Blut waren, wenn sie zu spät begonnen hatte, ihn abzuwaschen?
    Hastig wischte sie die Tränen zur Seite. »Mora.« Sie strich durch seine Haare, wollte ihn wecken, wollte wenigstens ein Lebenszeichen.
    Mora rührte sich nicht. Doch sein Atem ging gleichmäßig, als würde er tief schlafen, endlich ohne Schmerzen. Erst jetzt fiel Fina auf, dass die Wunden besser aussahen. Die gelben Ränder und die dreckigen Blutkrusten waren verschwunden. Auf den Striemen schien sich sauberer Schorf zu bilden.
    Die Erschöpfung erfasste ihren Körper und wollte sie niederzwingen. Fina ließ ihren Kopf sinken, tauchte ihr Gesicht in Moras Haare. »Werd gesund! Bitte! Bleib bei mir!«
    * * *
    Der Geheime rannte weit, umrundete fast sein ganzes Gebiet, ohne auch nur einmal innezuhalten. Die letzten Helfer kribbelten noch auf seinen Händen, wanden sich seinen Arm herauf und suchten vergeblich nach der Fäulnis, von der sie sich nährten. Das Kribbeln sprudelte durch seine Haut, lockte das Leben zurück in seine Adern und vertrieb die Langeweile seiner vielen tausend Jahre. Warum hatte er die Helfer schon so lange nicht mehr eingesetzt? Wie hatte er das herrliche Spiel mit ihnen nur vergessen können? Sie gaben Leben oder nahmen es, in einem qualvollen Tod, dem er lange zusehen konnte.
    Zu gerne hätte er verfolgt, wie das Weibchen versuchte, den Diener zu retten. Doch dann wäre es ihm schwergefallen, die Lust vor ihr zu verbergen.
    Besser war es, sich ihren Kampf nur vorzustellen und vielleicht noch das Ende zu betrachten.
    Doch als er schließlich in die Hütte zurückkehrte, räumte sie bereits auf. Lautlos blieb der Geheime in der Tür stehen. Er sah dem Weibchen zu, wie sie die Helfer zusammen mit Wasser und Stofffetzen ins Feuer schüttete. Er erkannte ihre angeekelte Miene, als die Biester aufkreischten.
    Auch wenn er ihren Kampf verpasst hatte – die letzten Spuren davon lagen noch in der Luft. Er atmete den Duft ihres Schweißes, schmeckte ihre Angst darin und betrachtete die Wölbung ihrer Brüste, die sich noch stärker durch ihre Kleidung drückten. Fast konnte er sehen, wie sie die schützenden Schichten darunter geopfert hatte, um den Diener zu retten.
    Der Geheime versuchte noch immer zu begreifen, was ihr Antrieb war, sich so für das Menschenscheusal einzusetzen. Sie hatte ihm geschworen, dass sie Morasal nicht liebte, hatte so abfällig über seinen dreckigen Körper geurteilt, dass er ihr glauben musste. Sie hatte sich dem Geheimen versprochen, hatte ihm die Heirat aus freiem Willen zugesagt. Mehr noch: Sie wünschte sich, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.
    Angeblich wollte sie das Leben des Dieners erhalten, damit er für sie arbeiten konnte. Der Geheime wunderte sich nicht darüber: Es war die Art, in der die Menschen dachten.
    Dennoch ahnte er, dass es mehr sein musste. Sie fühlte etwas für Morasal, etwas, das sie in seine Nähe zog, das sie um sein Leben kämpfen und flehen ließ. Seit ihrer Kindheit hatte er eine Verbindung zwischen ihr und dem Scheusal hergestellt. Doch seit ihrer Ankunft im Moor war er sich nicht sicher, ob sein Plan glückte oder ob er über sein Ziel hinausschoss.
    Der Diener empfand heftige Lust für sie, daran gab es keinen Zweifel. Die Spuren auf seiner Haut waren von solcher Gier, dass der Geheime das Weibchen gleich mit verdächtigt hatte.
    Doch wenn sie sich bis nach ihrer Hochzeit verwahren wollte, dann musste es ein Irrtum sein. Sie selbst hatte ihn an die Regeln der Menschen erinnert, die schon seit Jahrhunderten galten und körperliche Kontakte vor der Hochzeit verboten. Also hatte das Menschenscheusal die Lust wohl nur an seinem eigenen Körper gestillt.
    Was die Menschenfrau empfand, musste etwas anderes sein, etwas, das ebenso stark wirkte. Der Geheime war in seinem langen Leben nur wenigen Weibchen begegnet, zu wenigen, um zu erfahren, wie sie fühlten, aber dennoch genug von ihnen, um zu wissen, welches ihrer Gefühle am stärksten war: Gleich, welcher Art und Rasse ein Weibchen war, für seinen Nachwuchs war es bereit, zu töten und zu sterben. Und besonders mütterliche Individuen erwärmten sich für jede schwache Kreatur, die ihre Hilfe benötigte.
    Ein solches Mütterchen musste sie sein.
    Der Geheime legte seinen Kopf zur Seite und hoffte, dass sie noch eine Weile in das Feuer starren mochte, bevor sie ihn an der Tür entdeckte. Er sog ihren Duft ein und ahnte, wie lebendig er werden würde, wenn er endlich sterblich geworden war. Die Angst vor dem Tod lauerte

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