Der geheime Name: Roman (German Edition)
genauso quälte wie ihn, und dass er allein die Schuld daran trug – weil er sie im Moor verfolgt und zu sich in die Höhle geholt hatte.
Nächtelang starrte Mora in die Glut und bereute es, Fina so lange bei sich behalten zu haben, er bereute dieses Gefühl, das er für sie empfand, das schönste und grausamste, was er jemals durchgemacht hatte. Er war nur ein Diener, der nichts davon für sich beanspruchen durfte – und seine schlimmste Strafe war die, dass ausgerechnet Fina für ihn büßen musste.
Während er Nacht für Nacht ihrem Atem lauschte, konnte er fast die Furcht spüren, die es sie kosten musste, so nah neben dem Herrn zu liegen – und irgendwann hörte er ihr leises Jammern, vermischt mit dem Keuchen des Geheimen. Noch im gleichen Moment wusste er, was der Herr mit ihr tat. Die Wut explodierte in seinen Adern, er wollte aufspringen und ihn von ihr fortzerren.
Doch damit würde er nur sich selbst umbringen! Und Fina endgültig an den Herrn ausliefern! Mit bebenden Fäusten drückte er sich in seine Felle und versuchte, keinen Laut von sich zu geben.
Es endete mit Finas Schrei, einem winzigen, verzweifelten Laut, der schließlich in ein leises Weinen überging, während der Geheime anfing, laut zu schnarchen.
In der folgenden Zeit lernte Mora, dass es ein grausameres Folterinstrument gab als die Peitsche. Er lernte einen Schmerz kennen, der um vieles höllischer war als der tödliche Schmerz eiternder Wunden.
Nahezu jede Nacht musste er Finas Jammern von nun an lauschen. Das Keuchen des Herrn wurde mit jedem Mal gieriger. Abgesehen davon war es immer das gleiche Rascheln und Jammern, bis Fina aufschrie, bis der Alte anfing zu schnarchen und nur noch ihr leises, verzweifeltes Weinen in Moras Ohren sickerte.
In diesen Momenten musste er in sein Fell beißen, um nicht zu schreien, krallte die Finger in irgendein Stück seiner Haut und kämpfte darum, seinen Atem zu kontrollieren. Mit jeder Nacht rauschten grausamere Bilder durch seinen Kopf. Bald reichte es nicht mehr, den Alten im Schlaf zu töten und mit Fina zu fliehen. Viel lieber wollte er den Wicht an einem Baum aufhängen wie ein Tier, wollte ihn bei lebendigem Leib häuten und langsam sterben lassen.
Doch wann immer Mora aus den blutigen Bildern erwachte, wurde ihm klar, dass es keinen Weg gab, den Geheimen zu töten. Ganz gleich, was er versuchte, er konnte Fina nicht helfen.
Seine Wut erstickte in einem brennenden Gefühl, das sich Nacht für Nacht durch seinen Körper fraß, bis am Morgen nichts als Asche von ihm zurückblieb. Wie ein folgsamer Schatten verbrachte er die Tage im Dienste seines Herrn und seiner zukünftigen Herrin. Er wagte es kaum noch, Fina in die Augen zu sehen, und war fast froh über die geduckte Haltung, die der Geheime von ihm verlangte. Innerlich erstarrte er unter der Härte, zu der Finas Stimme versteinert war, zuckte unter ihren Befehlen zusammen und war beinahe dankbar, wenn er sich vor ihr auf den Boden werfen musste. Manchmal wünschte er sich sogar, sie möge ihre Peitsche ziehen und ihn schlagen, wenigstens das, damit er einen Teil ihrer Schmerzen übernehmen konnte.
Aber sie tat es nicht, und dem Herrn schienen die Nächte zu genügen, um seine Neigungen zu stillen.
Nur manchmal wagte Mora doch einen Blick zu Fina, immer dann, wenn er sich unbeobachtet fühlte. In diesen Augenblicken erkannte er ihre Blässe und die Furcht in ihrem Gesicht. Je weiter ein Tag voranschritt, desto größer und schreckhafter wurden ihre Augen, so, als würden sie ein schwarzes Bild von dem spiegeln, was in den Nächten mit ihr geschah.
Der Geheime hatte ihren Körper in Besitz genommen, zwang sie neben sich auf das Lager und verfügte Nacht für Nacht über sie. Aber jeder noch so vage Gedanke daran, was hinter dem Feuer mit Fina geschah, öffnete ein schwarzes Loch in Moras Eingeweiden, das sein Inneres in einem brodelnden Sturm verschlang. Und bald schon prallten seine Gedanken an einer unsichtbaren Grenze ab, die es ihm verbot, sich die Übergriffe des Herrn vorzustellen.
Vielleicht war das der Grund, warum er mehr als eine Woche brauchte, ehe er begriff, was wirklich hinter der Glut des Feuers vorging.
Es war eine Nacht, in der sie lauter weinte als in allen vergangenen Nächten, so laut, dass es ihn aufschreckte wie keines der Geräusche zuvor: Urplötzlich stürzte die Grenze ein, die Mora von ihr trennte. Auf einmal wusste er, dass Fina niemals so beherrscht sein könnte, wenn der Herr sie in seine Gewalt
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