Der geheime Name: Roman (German Edition)
und streifte Moras Fellweste mit den Zehen nach oben, bis sein Rücken freilag. Schließlich trat er hinter Fina, legte von beiden Seiten die Arme um ihre Hüften. »Will sie einmal ihre Macht fühlen?« Er fasste ihre Hand mit seiner, führte sie zu der Peitsche und zwang sie, ihre Finger darumzulegen.
Fina hielt den Atem an und erstarrte. Sie schloss die Augen, spürte den zähen Körper des Wichtes hinter ihrem, der harte Knauf der Peitsche drückte sich in ihre Hand. Eisiger Schweiß jagte über ihren Rücken.
»Ja. Sie muss ihre Macht fühlen. Vielleicht wird sie Geschmack daran finden.« Der Geheime lenkte ihre Hand weiter, zog die Peitsche gemeinsam mit ihr aus dem Halfter. Ganz langsam ließ er die Lederbänder über Moras Rücken regnen.
Ein winziges Aufjammern ertönte vom Boden zu ihren Füßen. Fina wollte zurückzucken, wollte Mora erlösen.
Aber die beiden Daumen des Herrn umklammerten ihre Hand, schoben sie von rechts nach links, ließen die knotigen Bänder über Moras Haut kratzen. In Finas Fingern kribbelte der Widerstand, mit dem sich die Lederbänder verfingen und losrissen.
»Fühlt sie es jetzt?« Die Stimme des Alten klang heiser. »Nur ein Schlag, und es wird ihren Befehl für immer achten.« Er hob Finas Hand, ließ sie in der Luft verharren.
Mora winselte, nur ein winziger Laut, der sofort wieder verstummte.
Fina riss die Augen auf, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Moras Arme nachgaben. Sein Gesicht fiel in den Dreck, sein Atem flatterte, wirbelte den Staub über den Boden, während seine Hände nach Halt suchten.
Fina wollte vor ihm in die Knie gehen, wollte ihn vom Boden hochheben und in den Arm nehmen.
Doch der Geheime hielt ihre Hand noch immer, ließ sie die Kraft ahnen, mit der er jederzeit zuschlagen konnte, auch gegen ihren Widerstand.
Ihr Körper zuckte, kämpfte gegen das Heulen, das aus ihr herausbrechen wollte.
»Jämmerlich!« Mit einem Ruck löste der Alte die Peitsche aus ihrer Hand, warf sie auf Moras Rücken und wich hinter ihr zurück. Im nächsten Moment brach ein schallendes Lachen aus ihm hervor. »Sieht sie? Der Diener hat ihre Macht gespürt! Auch ganz ohne den Schlag.«
Finas Beine wurden weich. Sie konnte sich kaum aufrecht halten, während ihr Blick auf Mora haften blieb. Sein Zittern ebbte ab, so plötzlich, wie es gekommen war. Gleich darauf sprang er auf, streifte seine Weste herunter und stapelte das letzte Holz an die Wand.
Sie versuchte, noch einmal seinen Blick zu erhaschen. Doch für den Rest des Tages klebte er so dicht am Boden, dass sie keine Chance bekam, ihm in die Augen zu sehen.
In dieser Nacht schlüpften die Finger des Herrn ein weiteres Mal unter ihre Decke, berührten die Haut an ihrer Hüfte, schoben sich ein Stückchen daran entlang und ließen sie aus dem Traum aufschrecken.
Wieder war der Geheime weit von ihr entfernt, seine Hände tasteten über sein eigenes Fell. Doch dieses Mal erwachte er nicht. Stattdessen verfiel er in ein tiefes, befriedigtes Schnarchen, das Fina noch nie von ihm gehört hatte. Es klang so gleichmäßig, als wäre er fest eingeschlafen, und schließlich erschien es ihr wie ein Wort, das sich immer wiederholte, zwei Silben, die sich um zwei lange rrr s rollten. Während Fina sich so weit wie möglich an den Rand des Lagers drehte und sich davor fürchtete, noch einmal einzuschlafen, sprach sie das sonderbare Wort in Gedanken bei jedem Schnarchen mit.
* * *
Wenn Mora an den Abenden auf seinem Lager zur Ruhe kam, waren seine Muskeln fast gelähmt vor Erschöpfung. Innerhalb weniger Sekunden wurde er tief in einen traumlosen Schlaf hinuntergezogen – bis er daraus aufschreckte, wie er es sein Leben lang getan hatte. Unfähig, wieder einzuschlafen, starrte er Nacht für Nacht in die letzte Glut des Feuers, die das Lager des Herrn verbarg. Stundenlang lag er wach und lauschte Finas Atem. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, ließen ihn die Peitsche spüren, die über seinen Rücken fiel. Finas Peitsche, geführt von ihren Händen, und doch in der Lage, den gleichen höllischen Schmerz auszulösen, einen viel schlimmeren Schmerz, weil er ihn tief in seinem Inneren treffen würde. Schon allein die Ahnung dessen hatte ihn zusammenbrechen lassen.
Aber erst in den Nächten begriff er, was an ihren Schlägen am schlimmsten gewesen wäre: nicht die Schmerzen seines Körpers, nicht die Tatsache, dass ausgerechnet sie ihm das zufügte, sondern das Wissen, dass sie es tun musste, um zu überleben, dass es sie
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