Der geheime Name: Roman (German Edition)
langgezogenes Grummeln, im gleichen Takt, in dem der Herr ein- und ausatmete. »Es ist egal, Fina. Wir müssen fort.« Wieder zog er an ihrem Arm. »Ich hab etwas Salz. Ich weiß nicht, ob es reicht, aber wir müssen es versuchen.«
Fina schüttelte den Kopf, riss sich zum ersten Mal von den Geräuschen des Alten los und sah Mora an. »Ich weiß, wo er das Salz versteckt. Wir können so viel davon holen, wie wir brauchen.«
* * *
Fina konnte sich kaum aufrecht halten, während sie Mora in die Goldkammer hinabführte. Der Schlaf wollte sie wieder an sich ziehen, wollte sie mitten auf der Leiter in die Knie zwingen. Mit zitternden Fingern fand sie eine der Öllampen. Doch sie konnte das Licht nicht anzünden, musste es erst Mora geben, damit es endlich hell wurde.
Wilde Schatten flohen vor ihnen, als sie durch die Kammer nach hinten gingen. Nur vage bemerkte Fina, wie Mora auf das viele Gold reagierte, wie er sich in der Höhle umsah. Doch für ihn schien es nichts Besonderes zu sein. Erst als sie das hintere Ende der Kammer erreichten, schnappte er nach Luft. Vor ihnen lag ein riesiger Haufen Salz. Weiße Zweige und Bäumchen lugten halb zerfallen daraus hervor.
Fina berührte einen Birkenzweig aus Salz, beobachtete, wie er in Tausende von kleinen Kristallen zerfiel. Dieses Salz würde sie retten, würde ihnen die Freiheit zurückgeben!
Sie versuchte, nur noch daran zu denken, versuchte, die Käfige zu ignorieren, die neben dem Salzberg aufgereiht standen. Nur einer davon war nah genug, um von der Öllampe erhellt zu werden. Aus den Augenwinkeln erkannte sie undeutlich, dass etwas darin lag.
Mora hockte sich neben sie, sein Atem ging hastig, während er Salz in ein Säckchen füllte und schließlich ein zweites Säckchen hervorholte.
Weiße Schatten huschten um sie herum. Fina schwankte, wollte endlich einschlafen, musste sich irgendwo festhalten. Sie klammerte sich an Mora, brachte ihn aus dem Gleichgewicht, bis sie mit ihm zu Boden fiel. Plötzlich war er so nah. Seine Haut fühlte sich warm an. Ihre Hand berührte seine Brust, strich sanft darüber.
»Wir müssen weiter.« Mora schob sie von sich, setzte sich auf.
Doch Fina konnte nicht aufstehen. Ihr Körper war zu schwach, zu müde. Sie fiel zurück in Moras Arme, streichelte seine Haare, seinen Rücken, tastete mit ihren Lippen über seine Wange, bis zu seinem Mund.
* * *
Finas Berührung blitzte durch Moras Körper, die Müdigkeit drehte sich in seinem Kopf und wirbelte alles durcheinander. Plötzlich konnte er nur noch fühlen, wie sie sich in seine Arme schmiegte, wie sich ihre Lippen auf seinem Mund bewegten. So lange hatte er auf diese Berührung gewartet. Sie waren wieder zusammen, allein in seiner Höhle.
Nein! Nicht in seiner Höhle! Mora zuckte zusammen. Scharfer Salzgeruch brannte in seiner Nase. Er schüttelte den Kopf, um den beginnenden Traum zu verscheuchen. Sie waren nicht in seiner Höhle, sie waren woanders, eine dunkle Gefahr lag in Finas Berührung.
Was hatte er gerade tun wollen? Es war wichtig.
»Fina, nein.« Mora versuchte, sie von sich zu schieben. Er musste sich konzentrieren, musste sich daran hindern, einzuschlafen. Aber ihr schläfriger Körper fiel ihm immer wieder entgegen, ihre Arme umklammerten ihn.
Sie fühlte sich zart an, verletzlich, er musste sie beschützen. Wie durch Zufall rutschten seine Hände unter den Stoff ihres Pullis, berührten die Haut an ihrem Rücken.
Mora keuchte auf. Er wollte sie an sich ziehen, ihre Lippen suchten seinen Mund.
Irgendein Geräusch störte die Stille …
Plötzlich war er hellwach! Sie durften es nicht, nicht jetzt! Sie waren nur hier, um das Salz zu holen! Ihnen blieb nur noch wenig Zeit, um zu fliehen!
»Fina, nein!« Er wollte sie an den Schultern packen und wach rütteln – aber im gleichen Moment erstarrte sie in seinen Armen. Ihr Mund löste sich von seinem, ihr Blick fiel an ihm vorbei.
Mora erkannte den verzerrten Schatten, den die Öllampen hinter Fina auf den Salzberg warfen, die übergroße Statur des Herrn, der direkt hinter ihm stehen musste. Er hörte das schleifende Geräusch, mit dem die Peitsche aus dem Halfter glitt, sah den Schatten der Bänder auf das Salz herabfallen.
Der Herr sagte nichts, schwieg so bedrohlich, wie er es noch nie getan hatte. In der nächsten Sekunde knallte der Schmerz über Moras Haut, einmal, zweimal, wollte ihn von Fina fortreißen … zog sich zurück und zielte dorthin, wo Finas Rücken noch immer entblößt war.
Sie
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