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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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Bewegung sah elegant aus, weich und kraftvoll zugleich. Seine Haut leuchtete in einem warmen Braunton, viel zu dunkel, um aus dieser Gegend zu stammen.
    Sie riss sich von seinem Anblick los und faltete das Kleidungsstück auseinander. Es war ein Hemd mit langen Ärmeln, mindestens so groß wie der Monsterpulli, den sie strickte. Sie musste grinsen. »Danke!«
    Er neigte seinen Kopf noch ein kleines Stückchen tiefer, drehte sich geschmeidig um und verschwand im Tunnel.
    Fina sah ihm nach. Als sie sicher war, dass er nicht zurückkommen würde, zog sie sich aus. Ihre Sachen waren braun, klebrig und stanken nach Torf. Sie wusste nicht, wohin mit ihnen. Wenn sie die Sachen zum Trocknen aufhängte, würden sie eine Schlammkruste bekommen. Unschlüssig warf sie die Klamotten auf den Boden.
    Sie streifte das riesige Hemd über ihren Kopf und bemühte sich, das Ledertuch um ihre Hüften zu binden.
    Als sie schließlich an sich herabblickte, musste sie grinsen. »Und heute sehen Sie eine neue Folge von Tarzan und Jane in der Lüneburger Heide. « Ein leises Prusten glitt durch ihre Nase, wollte sich in ein irres Lachen verwandeln.
    Hastig schlug sie die Hand vor den Mund. Doch das Lachen rutschte zwischen ihren Fingern hindurch.
    Um sich abzulenken, sah sie sich in der Höhle um. Sie betrachtete das Eisengestell, an dem der Kessel über dem Feuer hing, streifte mit ihren Fingern über die Holztruhe, deren Metallbeschläge mit kunstvollen Ranken verziert waren. Abgesehen davon gab es nicht viel in der Höhle.
    Erst als ihr Blick die Wandnische erreichte, aus der der Fremde beim letzten Mal etwas hervorgeholt hatte, stutzte sie. Dort standen Becher, Schalen und Teller, die im Licht des Feuers goldfarben glänzten.
    Langsam ging sie darauf zu. Vorsichtig nahm sie einen der Becher und drehte ihn in ihrer Hand. Er schien tatsächlich aus Gold zu sein. Seine Wände waren breit, fast ein wenig klobig, doch rundherum waren zierliche Ranken und Tiere in das Gold eingraviert. Fina betrachtete das Bild eines Eichhörnchens, das ihr sehr bekannt vorkam.
    »Darf es hereinkommen?«
    Fina wirbelte herum. Der wilde Junge stand mit gesenktem Kopf vor dem Tunnel. Er trug einen Wasserbottich vor seinem Bauch.
    Von welchem Es sprach er? Von dem Eichhörnchen?
    »Ja.« Fina stammelte. Sie versuchte, den Goldbecher möglichst unauffällig zurückzustellen. »Ja, von mir aus darf es hereinkommen.«
    Der Junge kam weiter in die Höhle. Während er den Bottich zum Feuer trug, fiel ihr auf, wie schwer die wassergefüllte Wanne sein musste. Viel zu schwer, um sie überhaupt anzuheben. Doch er stellte sie ab, als wäre es ein Korb mit Wäsche.
    Fina suchte nach dem Eichhörnchen oder nach einem anderen Tier, das er gemeint haben könnte.
    Aber ihr neuer Freund schien allein zu sein. Wieder verneigte er sich tief vor ihr und sprach mit leiser Stimme: »Soll es ihr einen Tee reichen? Mag sie Pfefferminze?«
    Fina schauderte. Er meinte sich selbst! Er sprach nicht nur in der dritten Person – er bezeichnete sich selbst als »es«.
    »Wer hat dir beigebracht, so zu reden?« Die Frage rutschte ihr heraus. »Was für furchtbare Eltern hast du, dass sie so grausam zu dir sind?«
    Er starrte sie an, so verständnislos, als wüsste er nicht, worüber sie sprach. Hastig wandte er sich ab, nahm einen verbeulten leeren Kessel, schöpfte damit Wasser aus dem großen Bottich und hängte ihn über das Feuer.
    Fina bereute ihre vorlaute Frage. Seine Eltern gingen sie nichts an. Auch nicht der Grund, warum er geflohen war und hier draußen lebte. »Tut mir leid. Ich hab’s nicht so gemeint. Ich nehme gerne einen Tee. Und Pfefferminze mag ich auch.«
    Er sah sie kurz an, nickte unsicher und trat an ihr vorbei zur Wandnische. Aus einer goldenen Dose holte er grüne, getrocknete Blätter, streute sie in einen Goldbecher und ging damit zu seinem Kessel. Eine ganze Weile rührte er darin herum, bevor er eine Kelle voll herausschöpfte und das heiße Wasser auf die Pfefferminzblätter goss.
    Schließlich verneigte er sich und reichte ihr den Becher. »Herrin.«
    Fina runzelte die Stirn. Sie nahm den Tee entgegen und starrte ihn an. »Wieso nennst du mich so? Ich bin nicht deine Herrin.«
    Er verharrte in der geduckten Haltung. Es war ihr, als würde er den Atem anhalten. »Wie … wie sie wünscht.« Er stammelte, ging wieder rückwärts und richtete sich erst auf, als er sich von ihr abwandte und zum Feuer trat.
    Fina betrachtete die weißen Striemen auf seinem Rücken.

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