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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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Schatten und Licht spielten auf den Narben, während er Wasser von einem Kessel in den anderen schüttete.
    Wer hatte ihm das angetan? Wer hatte ihn so gebrochen, dass er sie Herrin nannte und sich selbst als es bezeichnete?
    Er warf ihre schlammige Kleidung in eine Wasserwanne. Ohne Fina anzusehen, deutete er mit dem Arm auf den großen Bottich. »Es hat ihr ein Bad bereitet. Wenn sie es wünscht, so mag sie sich waschen. Es wird so lange draußen sein und ihre Kleider reinigen.«
    Fina starrte ihn an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Er verhielt sich, als wäre er ihr Sklave. »Du musst mich nicht bedienen.« Sie sprach leise.
    »Wie die Herrin wünscht.« Er verneigte sich noch tiefer, nahm den Kessel mit ihren Sachen und verschwand damit im Erdtunnel.
    Ein seltsamer Schmerz zog durch Finas Brust, während sie den Höhleneingang betrachtete. Wer zum Teufel hatte ihn so gequält? Seine Eltern gehörten ins Gefängnis!
    Ihr fiel wieder ein, dass er zunächst unsichtbar gewesen war. Irgendetwas an dieser Geschichte ging nicht mit rechten Dingen zu, etwas viel Gravierenderes als die Frage, wer seine Eltern waren.
    Zögernd ging sie zu dem Bottich und streckte ihre Hand hinein. Das Wasser war angenehm heiß.
    Fina zog die seltsame Lederbekleidung wieder aus und stieg in die Wanne. Der Bottich war gerade groß genug, um sich mit angezogenen Beinen hinzusetzen. Aber immerhin war er so tief, dass ihr das Wasser bis zur Brust reichte. Sie schloss die Augen und fragte sich, ob sie träumte. Vielleicht war sie in ihrem geheimen Traum? Und gleich würde sie aufwachen und sich an nichts erinnern können.
    Zumindest würde das erklären, warum ihr der Junge und das Moor so vertraut vorkamen, warum sie keine Angst mehr hatte.
    Vielleicht träumte sie ja schon, seit sie aus der Provence geflohen war? Vielleicht war sie an dem Abend eingeschlafen, als sie ihrer Mutter zu ihrer Verabredung folgen wollte? Sie hatte im Bett gelegen und gewartet, dass ihre Mutter losging. Aber statt ihr zu folgen, war sie eingeschlafen. Und alles, was danach geschehen war, entstammte nur ihren unterbewussten Ängsten und Wünschen: das geheime Treffen ihrer Mutter mit ihrem Vater, ihre Flucht, ihre Großmutter und die Mühle und jetzt das Moor und der wilde Junge.
    Wenn sie genau darüber nachdachte, dann war das viel wahrscheinlicher, als dass dieser ganze Schwachsinn in der Realität passierte.
    Ja, so musste es sein! Gleich würde sie aufwachen und ihrer Mutter beim Frühstück von dem ganzen Quatsch erzählen. Dann würden sie herzlich darüber lachen und die Geschichte weiterspinnen.
    Wenn man erst einmal wusste, dass man träumte, war das Aufwachen nur noch eine Frage von Sekunden.
    Doch Fina wachte nicht auf. Stattdessen wurde das Wasser allmählich kühler, und sie fing wieder an zu frieren.
    Schließlich tauchte sie ihre Haare unter Wasser und rubbelte den Schlamm daraus, rieb mit ihren Händen über Gesicht, Hals und Nacken und stand auf.
    Die kalte Luft fühlte sich echt an auf ihrer Haut. Konnte man einen Traum so intensiv wahrnehmen?
    Ihre Zähne schlugen aufeinander. Sie hatte nichts, um sich abzutrocknen. Suchend sah sie sich in der Höhle um. Doch abgesehen von ihrer neuen Lederkleidung, gab es nichts, was dazu geeignet wäre.
    Bibbernd stieg sie aus dem Bottich und hockte sich vor die Holztruhe des Jungen. Sie klappte den Deckel auf und blickte hinein. Es war nicht viel darin, nur ein paar filigrane Werkzeuge und – tatsächlich – ein weiteres Stück Leder. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre es nur ein Lappen.
    Erst als sie es herausnahm und auseinanderfaltete, erkannte sie, dass es ein weiteres Hüfttuch war, noch dünner als das, das er ihr geliehen hatte.
    Wenigstens hatte sie jetzt eines in Reserve. Sie wollte gerade anfangen, sich damit abzutrocknen, als sie entdeckte, was sie unter dem Ledertuch zum Vorschein gebracht hatte. Große Goldklumpen lagen am Boden der Truhe. Einige davon waren bearbeitet und zu kleinen Figürchen geformt. Auch hier gab es ein Eichhörnchen, daneben ein kleines Reh und … Fina hielt den Atem an … den Kopf einer Frau, ein Gesicht, das die Form eines Herzens besaß.
    Für einen Moment dachte sie an ihre Großmutter, es sah aus wie sie, nur jünger – doch im nächsten Augenblick wusste Fina, wessen Gesicht es war: ihr eigenes.
    Sie schlug den Deckel der Truhe zu, trocknete sich rasch mit dem Leder ab, faltete es wieder zusammen und legte es mit schneller Bewegung zurück in

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