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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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die Truhe.
    Er durfte nicht merken, dass sie an seinen Sachen gewesen war. Es ging sie nichts an.
    Hastig zog sie die Lederkleidung an, fürchtete plötzlich, dass er jederzeit hereinkommen könnte.
    Gold. So viel Gold. Woher hatte er die dicken Klumpen? Sie mussten ein Vermögen wert sein, sicher genug, um ein Haus davon zu kaufen, anstatt in dieser Höhle zu wohnen.
    Und er formte Figuren daraus.
    Fina musste lächeln. Endlich jemand, dem Geld nichts wert war.
    Plötzlich stand der Fremde am Eingang des Tunnels. Er trug ihre nasse Wäsche auf den Armen. Das kleine Eichhörnchen sprang neben ihm her, während er zum Feuer trat und die Wäsche auf das Holzgestell hängte.
    Wie wild geworden hüpfte das Tier um ihn herum, kletterte am Holzgestell hoch, rannte über seinen Arm und hockte sich auf seine Schulter. Es keckerte in sein Ohr, und Fina konnte sehen, wie sich unter seinem Bart ein Lächeln abzeichnete.
    Ein warmes Gefühl strömte durch ihren Körper.
    Der Junge legte seine Wange an das Fell des Tieres, flüsterte wieder so leise, dass sie ihn nicht verstand. Fast hatte sie den Eindruck, als hätte er sie vergessen, während er die Wäsche aufhängte und schließlich mit dem Eichhörnchen auf seiner Schulter zu der Wandnische ging. Er nahm eine goldene Dose heraus, hob den Deckel ab und reichte dem Eichhörnchen eine Haselnuss.
    Das Kleine griff sie mit den Pfoten, steckte sie sich in den Mund und sprang von seiner Schulter auf den Boden. Schneller, als Finas Blick ihm folgen konnte, raste es zum Tunnel und verschwand nach draußen.
    Sie musste lachen, während sie dem Tier nachsah. Gleich darauf traf sie den Blick des Jungen. Seine Augen leuchteten, seine Zähne blitzten in einem flüchtigen Lächeln auf.
    Fina verstummte. Sie wünschte sich, dass er weiterlächelte, wünschte sich, endlich mehr von seinem Gesicht zu sehen. Am liebsten wollte sie einen Rasierer nehmen und ihn von seinem struppigen Bart befreien, wollte seine verfilzten Haare mit einer Schere kurz schneiden, um zu sehen, was für ein Mensch darunter zum Vorschein kam.
    Das Lächeln des Wilden verschwand. Er verneigte sich vor ihr. »Entschuldigt, Herrin.«
    »Nein!« Finas Herz schlug heftig. »Hör auf, dich zu verbeugen.« Sie ging zu ihm, legte die Hand unter sein Kinn und hob es an. »Du bist nicht mein Diener, und du sollst dich nicht ducken. Warum bleibst du nicht einfach du selbst, so wie eben, mit dem Eichhörnchen?« Sie versuchte, in seine Augen zu sehen.
    Sein Blick erschien gequält, verwirrt, versuchte, ihr auszuweichen. »Jawohl, Herrin.«
    Fina ließ sein Kinn los. Noch in der gleichen Bewegung verneigte er sich vor ihr.
    Wieder zog der seltsame Schmerz durch ihre Brust. Nur mit Mühe konnte sie ihr Seufzen unterdrücken. Es hatte keinen Sinn. Sie konnte ihn nicht dazu zwingen, selbstbewusster zu sein.
    * * *
    Fina versuchte noch ein paarmal, mit dem Jungen zu reden. Aber was auch immer sie sagte, es verwirrte ihn und machte ihn nur umso scheuer – bis er ihr gar nicht mehr antwortete.
    Schließlich hörte sie auf, mit ihm zu sprechen. Sie beobachtete ihn nur, wie er in der Höhle aufräumte und das Badewasser nach draußen brachte, wie er aus einem Stück Fleisch und Pflanzen, die sie nicht kannte, eine Suppe kochte. Die meiste Zeit hockte sie auf seinem Felllager und sah ihm schweigend zu. Manchmal schien er ihre Anwesenheit fast zu vergessen. Dann bewegte er sich in aufrechter, sicherer Haltung, erledigte seine Arbeiten mit einer so ruhigen Zufriedenheit, dass sie sich fast einbildete, einen gewissen Stolz in seinen Augen zu erkennen. Er kam ihr immer mehr wie ein wildes Tier vor, das seine ganze Schönheit nur dann zeigte, wenn es keine Menschen in seiner Nähe wähnte.
    Sie sah ihm gerne zu. Noch tagelang könnte sie ihm zusehen. Doch schließlich wurde ihr klar, dass sie bald nach Hause musste. Draußen wurde es schon fast dunkel. Ihre Großmutter würde sich Sorgen machen, wenn sie am Abend nicht nach Hause kam.
    Aber sie konnte jetzt nicht gehen. Schließlich hatte sie nicht einmal die Hälfte von dem erfahren, weshalb sie hergekommen war.
    Als die Suppe bereits seit geraumer Weile im Kessel blubberte, ging er zu seiner Wandnische, holte eine goldene Schale und schöpfte von dem fertigen Eintopf hinein. Mit einer eleganten Verbeugung kam er zu Fina und stellte die Schale vor sie auf den Boden. Gleich darauf ging er wieder zu seinem Suppenkessel, füllte eine zweite Schale und setzte sich vor dem Höhleneingang auf den

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