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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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aushielt. Dann rollte er sich unter seinen Fellen zusammen und ließ den Bildern freien Lauf. Er dachte daran, ihr ein Bad zu bereiten, stellte sich vor, dass er bleiben durfte, wenn sie in das Wasser stieg – um ihre Füße zu waschen, wie er es bei dem Herrn getan hatte. Nur anders, schöner … Er tauchte die Hände zu ihr ins Wasser …
    Das Bild zerbarst, während sich das Gefühl entlud und er in sein Fell beißen musste, um nicht zu schreien.
    Wenn es vorbei war, kam er sich schlecht vor. Er war zu schwach, um dem Gefühl zu widerstehen, nicht würdig, um in ihrer Nähe zu sein. Er durfte die junge Frau nicht besitzen, zu der sie geworden war. Sie gehörte niemandem. Sie war frei.
    Doch ganz gleich, was er sich vornahm: Nacht für Nacht wiederholte sich dieser Moment. Immer schlechter konnte er das verbotene Gefühl bezähmen, und immer grausamer drehten sich die Schuldgefühle in seinen Gedanken, während sich die Gier seines Körpers in die Dunkelheit entlud.
    Es war eine dieser Nächte, in der ihn hallendes Gelächter aufschrecken ließ. Mora zuckte unter seinem Fell zusammen. Er wusste sofort, wem die Stimme gehörte: Es war sein Herr, dessen Lachen über der Höhle durch den Wald wehte.
    Mora richtete sich auf. Die letzten Reste des verbotenen Gefühls pulsierten noch durch seinen Körper, während er angespannt lauschte. Ein lautes Tosen fauchte durch den Wald, ein orangefarbenes Flackern reflektierte an den Bäumen, die er durch die Luke oberhalb seiner Feuerstelle sehen konnte.
    Doch es war nicht sein Feuer, das sich dort oben spiegelte – es war ein größeres Feuer!
    Mora sprang auf, zog sich hastig an und lief zur Tür. Mit fliegenden Händen warf er die Riegel zur Seite, zog die Tür auf und hechtete durch den Tunnel nach draußen.
    Als er oben ankam, sah er das Feuer: Riesige Flammen loderten aus seinem Holzschuppen, fraßen den Unterstand mitsamt dem Feuerholz. Sie verschlangen das Gebüsch, in dem der Schuppen verborgen lag, und griffen auf den Erdkeller über, der sich direkt daneben befand.
    Moras Knie wurden weich, sein Atem flüsterte und formte sich zu einem »Nein«, das inmitten des Feuersturms unterging.
    Noch immer hallte das Gelächter des Geheimen durch den Wald. Seine kleine, zähe Gestalt tanzte um das Feuer herum, drehte sich und sprang im Kreis.
    Moras Beine gaben nach, er sackte auf die Knie und war unfähig, etwas anderes zu tun, als auf das Feuer zu starren. Niemals hätte er geglaubt, dass der Herr so etwas tun würde. Er mochte seinen Diener schlagen und seinen Körper versehren, aber dass er Vorräte vernichtete, dass er die Grundlage ihres Überlebens zerstörte … Der Herr selbst hatte Mora gelehrt, Nahrung zu heiligen, kein Körnchen davon zu verschwenden und die Bäume zu ehren, die ihr Holz hingaben, um ihnen Wärme zu spenden.
    Mora hatte früh gelernt, sich nach diesen Regeln zu richten, und konnte nicht fassen, was vor seinen Augen geschah. Es musste einer der Träume sein, mit denen der Herr ihn heimsuchte. Eine kleine Quälerei, die sich anfühlte wie die Wirklichkeit und die seinem Herrn Spaß bereitete.
    Doch während der Geheime aufhörte zu tanzen, während er sich vom Feuer löste und in Moras Richtung drehte, begriff Mora, dass es kein Traum war. Es war ein Angriff! Ein Hieb, der auf seinem Rücken niederging und ihn in den Gehorsam zurückzwang. Seit er allein in der Höhle lebte, hatte er eigene Entscheidungen getroffen. Mit diesen Vorräten hatte er ein eigenes Leben begonnen, so wie Fina ihr eigenes Leben angefangen hatte, als sie vor ihrer Mutter davongelaufen war. Mora begriff zum ersten Mal, was er unter seiner Einsamkeit nicht bemerkt hatte: Er war frei gewesen! So frei sogar, dass er mit einem Weibchen in seiner Höhle leben konnte.
    Zum allerersten Mal hatte er etwas besessen, was über sein nacktes Leben hinausging. Und jetzt, noch ehe er sich über seine Freiheit klargeworden war, hatte er sie auch schon wieder verloren.
    Der Geheime blieb auf halbem Weg in seine Richtung stehen. Er stemmte die Hände in die Hüften und strich über den Knauf seiner Peitsche. Dann warf er den Kopf in den Nacken und stieß ein gellendes Lachen aus.
    Mora sprang auf. So viel war von seiner Freiheit noch geblieben, dass er sich nicht ergeben würde, nicht hier und jetzt, nicht solange Fina schutzlos in seiner Höhle lag, nicht, solange er nicht verhungert, verdurstet oder erfroren war. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er sich nicht unter dem Angriff

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