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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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reagierte skeptisch auf die roten, glitschigen Nudeln, hielt sich den Teller vor die Nase und zuckte zurück wie ein Welpe, der zum ersten Mal Dosenfutter fressen sollte. Fina konnte ihr Kichern nicht zurückhalten, und schließlich lachte auch Mora. Es war ein unsicherer Laut, der noch ganz ungeübt klang und ein bisschen so, als wäre er überrascht über sich selbst.
    Fina mochte sein Lachen. Er sah süß aus, wenn er lachte, ein neugieriges Leuchten flackerte in seinen Augen, und auf seinem Gesicht spiegelte sich die Weichheit, die er so selten zeigte. Er sah fast noch süßer aus, als er die Nudeln endlich probierte: wie er vorsichtig mit der Zunge dagegenstieß, bevor er sie in den Mund warf und hastig herunterschluckte. Schließlich lachte er lauter, überrascht und erleichtert, und erklärte ihr, dass ihre blutenden Nacktschnecken gar nicht so eklig wären. In diesem Moment klang er frei und unbeschwert, und Fina ließ sich von seiner guten Laune anstecken.
    Nach dem Essen holte sie die Dinge aus ihrem Rucksack, die sie für ihn mitgebracht hatte. Sie schenkte ihm die Jeans, die T-Shirts und die Stiefel. Als er die Sachen schließlich angezogen hatte, sah er so überraschend nach einem normalen jungen Mann aus, dass Fina den Blick noch weniger von ihm abwenden konnte. In ihrer Welt wäre er einer von denen, die umschwärmt würden, einer, der sich vor Angeboten kaum retten könnte und selbstbewusst daraus wählte. Wenn sie ihm an irgendeiner Uni begegnet wäre, hätte sie wohl einen extragroßen Bogen um ihn geschlagen, aus Angst, er könnte ihr das Herz brechen.
    Hier in der Höhle gehörten alle Chancen allein ihr. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, war ihr Herz in viel größerer Gefahr.
    Sie bangte und hoffte, während sie Tag um Tag in der Höhle verbrachten. Fina spürte noch immer die Bedrohung, die draußen auf sie lauerte, hatte eine leise Ahnung von der Falle, in die sie gelockt worden war. Manchmal fragte sie sich, was Mora damit zu tun hatte. Diese Kreatur dort draußen musste sein Herr sein, aber Mora redete nicht darüber, und Fina wagte es nicht, ihn danach zu fragen. Sie wusste noch immer nicht, was die Kreatur eigentlich von ihnen wollte. Aber es musste schlimm sein, denn Mora hatte mindestens so große Angst vor der Bedrohung wie sie. Fina sah es an der Art, mit der er immer wieder zur Tür blickte oder die Konstruktion seiner Höhle begutachtete. Und ein- oder zweimal murmelte er etwas von dem Feuerholz und den Nahrungsvorräten.
    Immer, wenn Fina darüber nachdachte, grub sich ein mulmiges Gefühl in ihre Magengegend. Moras Erdkeller lag mehr als einhundert Meter entfernt an einer geschützten Stelle im Unterholz. Auch der Holzschuppen war dort hinten – viel zu weit entfernt, solange die Kreatur dort draußen lauerte.
    Dennoch würden sie irgendwann hinausgehen müssen, um Nahrung und Holz hierherzuholen. Aber Mora setzte keinen Fuß vor die Tür, und Fina wagte es nicht, ihn darauf anzusprechen.
    Stattdessen blieben sie in der Höhle und ernährten sich sparsam, zunächst von dem, was Fina mitgebracht hatte, und von den angebrochenen Vorräten, die Mora in seiner Höhle lagerte. Auf diese Weise verbrauchten sie nach und nach das Gemüse, aßen Fladen aus Buchweizenmehl dazu und kochten jeden Tag ein kleines bisschen Milchreis. Mora liebte ihren Milchreis. Jedes Mal, wenn er ihn aß, umspielte ein weiches Lächeln seine Lippen, und je länger sie in der Höhle waren, desto häufiger hörte sie sein Lachen.
    Mit jedem solcher Momente kroch ein aufregendes Gefühl durch ihren Bauch. Fina liebte sein Lachen – auch wenn sie ahnte, dass er vor allem deshalb lachte, um die Gefahr zu verdrängen.
    Sie selbst wollte das Gleiche, und in Moras Gegenwart gelang es ihr, fast gar nicht mehr an die Kreatur zu denken. Viel lieber beobachtete sie Mora bei allem, was er tat. Doch ganz egal, was es war, er hielt immer einen sorgsamen Abstand zu ihr.
    Fina träumte davon, ihm endlich näher zu kommen – aber sie wusste, dass sie den Abstand nicht brechen durfte. Noch nicht.
    Um sich abzulenken, schlüpfte sie in die Rolle der Lehrerin, und Mora saugte begierig alles in sich auf, was sie ihm erklärte. Er stellte ihr unzählige Fragen zu den Bildern, die sie ihm zeigte. Mit großen Augen blätterte er durch die Zeitschriften und schien sich kaum vorstellen zu können, in welcher Geschwindigkeit Autos fuhren. Er war erstaunt darüber, wie viele Menschen es gab, und meinte damit die Personen,

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