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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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die auf den Fotos abgebildet waren. Fina versuchte, ihm zu erklären, dass es noch Milliarden von Menschen gab, die sie beide niemals zu Gesicht bekommen würden, in allen Hautfarben und bis in jeden Winkel der Welt verstreut. Aber sie ahnte, dass es eine Dimension war, die Mora nicht einmal in Ansätzen begreifen konnte. Erst als sie ihm ein Bild der New Yorker Skyline zeigte und ihm erzählte, dass hinter jedem der winzigen Fenster in den riesigen Türmen ein Mensch wohnte, wurde Mora von einer Ehrfurcht ergriffen, die ihn nicht mehr loszulassen schien. Er blätterte alle Zeitschriften noch einmal durch und fragte sie bei jedem Haus, das er darin finden konnte, ob dort auch Menschen wohnten. Fina sah ihm von der Seite ins Gesicht, und sie glaubte, Tränen in seinen Augen schimmern zu sehen. Doch sie kamen nicht heraus.
    Nach und nach erklärte Fina ihm, dass die Menschen in ihrer Welt über sich selbst bestimmen durften, dass die Kinder zwar bei ihren Eltern lebten und ihnen mehr oder weniger gehorchen sollten, dass sie aber zur Schule gingen und alles lernten, was sie über die Welt wissen mussten. Damit sie später, als Erwachsene, ihre eigenen Herren sein konnten, die sich selbst aussuchten, wie und wo und mit wem sie leben wollten.
    Mora schien fasziniert zu sein von ihren Worten, und seine Sprache machte so schnelle Fortschritte, dass Fina es kaum glauben konnte – bis er tatsächlich fast immer in der Ich-Form redete. Nur wenn er aufgeregt war, rutschte ihm manchmal noch ein »es« heraus.
    An dem Abend, als Silvester sein musste, wollte Fina versuchen, so lange wie möglich wach zu bleiben. Sie wollte lauschen, ob sie auch in Moras Höhle Raketen hören würde, ob es eine Verbindung zwischen ihren Welten gab. Vor allem aber wollte sie wissen, wie Mora darauf reagierte, falls er solche Spuren aus ihrer Welt wahrnehmen konnte. Doch der Abend schien sich endlos zu dehnen, und irgendwann fragte sie sich, wie spät es war. Ihr Handy hatte längst allen Strom verbraucht, und das Display blieb schwarz, wenn sie versuchte, es einzuschalten.
    Aber die Uhr in ihrer Kamera müsste noch funktionieren. Zum ersten Mal holte sie den Apparat aus ihrem Rucksack und hockte sich neben Mora. Sie schaltete ihn ein, und das Display leuchtete auf.
    Ein leiser Schrei entwich Moras Kehle, er sprang auf und machte einen Schritt zurück.
    Fina sah erstaunt zu ihm auf. Erst im nächsten Moment erinnerte sie sich daran, dass sie ihn bereits fotografiert hatte. Sie musste grinsen, als ihr klarwurde, welch tödlichen Schreck ihm der Blitz versetzt haben musste.
    Sie deutete auf den Stapel von Zeitschriften, der neben ihr auf dem Boden lag. »Damit kann man solche Fotos machen, wie die in den Zeitungen. Guck, hier.« Sie stand wieder auf, stellte sich neben Mora und wollte ihm ein Foto zeigen.
    Mora blickte vorsichtig in das Display und hielt erstaunt die Luft an. »Das ist das Moor!«
    »Ja.« Fina lächelte. Sie fokussierte die Kamera auf das Feuer und machte ein Foto von der Höhle.
    Mora zuckte im Blitzlicht zusammen. Doch schließlich verglich er das Bild mit der Wirklichkeit und sah Fina aus geweiteten Augen an. »Sie zaubert.«
    Fina musste lachen. Sie war sich nicht sicher, ob Mora die Kamera meinte oder ob er vor Schreck in seine alte Sprechweise verfallen war. »Nein, sie zaubert nicht. Und ich zaubere auch nicht. Das ist reine Technik. Die Menschen haben jede Menge solcher Technik.« Fina versuchte, ihm zu erklären, wie eine Kamera funktionierte. Sie vereinfachte es an vielen Stellen und war sich nicht sicher, ob Mora es wirklich verstand. Aber in jedem Fall schien er seine Angst davor zu verlieren. Sie überließ ihm die Kamera und erklärte ihm, auf welche Knöpfe er drücken musste, um sich die Bilder darin anzusehen. Schließlich stellte sie den Modus um und bat Mora darum, ein Foto von ihr zu machen.
    Seine Hände zitterten, als er abdrückte – aber gleich darauf lachte er leise, während er ihr Bild auf dem Display betrachtete. Sein Zeigefinger strich darüber, und plötzlich wurde sein Blick so zärtlich, dass es ihr den Atem raubte.
    Warum sah er die echte Fina nicht so an? Wäre es so schlimm, wenn sie sich näherkämen?
    Fast musste sie lachen. War sie etwa eifersüchtig auf ihr eigenes Bild? Sie presste die Lippen zusammen und streckte die Hände nach der Kamera aus. »Darf ich ein Foto von dir machen?«
    Er fuhr auf. Für einen Moment blieb die Zärtlichkeit in seinem Blick, während er ihr die Kamera

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