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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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und vor ihr zurückwich. Dunkle Verzweiflung glühte in seinen Augen.
    Plötzlich wusste sie, dass er nicht aus Liebe neben ihrem Lager geschlafen hatte. Mora sagte kein Wort, und dennoch erkannte sie an seinem Blick, dass heute Nacht etwas Schlimmes geschehen war.
    Erst jetzt bemerkte sie den Brandgeruch, der in der Luft lag, viel stärker als der Geruch der Feuerstelle. Kurz darauf entdeckte sie die schwarzen Ascheflöckchen, die ihr Schaffell überzuckerten. »Was ist passiert?«
    Mora keuchte auf. Er warf sich nach vorne und duckte sich vor ihr auf den Boden. »Es tut ihm so leid! Es ist alles seine Schuld!«
    Finas Körper wurde steif. »Was ist deine Schuld? Was ist passiert?«
    Mora schob die Arme über seinen Kopf und drückte sich noch tiefer auf den Boden. »Es ist alles niedergebrannt. Alle Vorräte sind vernichtet, das Holz … und der Erdkeller …«
    »Niedergebrannt?« Fina sog scharf die Luft ein. Ihre Vorräte, das Holz? So ein Schuppen brannte nicht einfach so nieder. Jemand musste das Holz angesteckt haben.
    Jemand – diese Kreatur! Das Wesen mit den großen Augen, das sie belagerte. Moras Herr!
    Mit einem Schlag kehrte die Bedrohung in Finas Bewusstsein zurück. Wenn Moras Herr ihre Vorräte verbrannte, dann war es ernst, dann wollte er sie … Ja, was wollte er eigentlich? Fina versuchte, sich darüber klarzuwerden. Wollte er sie aushungern? Vielleicht sogar töten?
    Und warum lag Mora so schuldbewusst vor ihr? Was hatte er damit zu tun?
    Fina schüttelte unwillig den Kopf. Brannte so ein Erdkeller überhaupt? Müsste die Erde das Feuer nicht ersticken?
    »Bestimmt ist noch etwas von den Vorräten übrig«, flüsterte sie.
    Mora sprang auf. Eine Sekunde lang starrte er sie an – ehe er zur Feuerstelle lief und die glühende Asche zu einem kleinen Haufen zusammenschürte. In Windeseile schichtete er neues Holz darauf und pustete so hektisch gegen die Glut, dass Fina seinen Schwindel beinahe mitfühlen konnte.
    Was bedeutete das alles? Was sollten sie tun, wenn sie tatsächlich keine Vorräte mehr hatten?
    Fina starrte Mora an, beobachtete seine Verzweiflung, mit der er an dem kleinen Feuer hantierte, mit der er schließlich zu seiner Wandnische lief und die letzten Vorräte durchzählte. Sie versuchte zu verstehen, was es bedeutete, keine Nahrung mehr zu haben – aber alles, was ihr einfiel, war die Tatsache, dass nur ein Moor zwischen dieser Welt und ihrer Menschenwelt lag. Sie brauchten nur einen Beutel mit Salz und einen Moment, in dem die Kreatur nicht dort draußen lauerte. Dann würden sie entkommen können.
    * * *
    In den nächsten Tagen suchte Fina immer wieder nach einer Gelegenheit, um Mora ihren Vorschlag zu unterbreiten. Aber Moras düsterer Blick vertrieb jede Vertrautheit, die zwischen ihnen geherrscht hatte. Er redete kaum noch und antwortete mit keinem Wort, wenn sie ihn etwas fragte. Manchmal blätterte er lustlos in den Zeitschriften, die sich neben seinem Lager stapelten. Aber er stellte keine Fragen mehr, und als Fina ihm etwas vorlesen wollte, bedeutete er ihr, dass sie aufhören solle. Stattdessen bewies er ein bemerkenswertes Talent darin, nichts zu tun. Den größten Teil des Tages saß er einfach nur da und sah so aus, als würde er nicht einmal etwas denken.
    Fina wurde fast wahnsinnig von seinem Schweigen, manchmal war sie kurz davor, ihn anzuschreien oder etwas nach ihm zu werfen. Und dann wieder fragte sie sich, was in ihm vorging, welches Gefühl so stark war, dass es ihn erstarren ließ.
    Die einzigen Stunden, in denen Mora aus seiner Starre zurückkehrte, waren die, in denen sie etwas kochten und aßen. Aber während sie nach und nach das letzte Buchweizenmehl und die letzten Kartoffeln verbrauchten, wurden auch ihre Mahlzeiten immer kürzer. Als ihnen schließlich nur noch ein paar getrocknete Beeren und Nüsse blieben, rührte Mora sich kaum noch auf seinem Lager. Das einzige Geräusch, das von ihm ausging, war das gelegentliche Knacken der Nüsse in seinen Händen. Jede zweite Nuss reichte er an Fina weiter, so mechanisch wie ein lebloser Roboter.
    Erst jetzt fing Fina an zu begreifen, was es in Moras Welt bedeutete, mitten im Winter keine Nahrung mehr zu besitzen. Sie lebten noch, waren bei voller Gesundheit und klarem Bewusstsein – und gleichzeitig bereits dem Tode geweiht.
    Waren das die Gedanken, die in Moras Kopf kreisten? Die seinen Antrieb zum Stillstand brachten? Bedeutete das, dass Moras Herr sie tatsächlich töten wollte? Oder wollte er sie

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