Der Geheime Orden
mich verarschen?«
»Nein. Ich hab gerade eben mit ihm telefoniert. Am Donnerstagabend werden sie drei Kandidaten runterfliegen.«
»Haben sie gesagt, wo in der Stadt sie hingehen werden?«
»Nein, aber es hieß, dass man eine zweite Garnitur mitnehmen sollte, weil sie nach dem Essen ausgehen.«
»Du wirst eine unvergessliche Nacht erleben, Spence. Wir treffen uns in einer Stunde unten am Bootshaus und schmieden einen Plan. Auf dem Rückweg gehen wir kurz bei mir vorbei, dann kannst du dir jedes Jackett nehmen, das dir gefällt. Hier geht es schließlich um deine Mitgliedschaft.«
Es war eine klare, kühle Cambridgenacht. Kleine Studentengruppen hatten sich zu einer Zigarettenpause vor den Eingängen der Gebäude versammelt. Andere schleppten sich von den Bibliotheken nach Hause, schwere Büchertaschen über den Schultern. Ihre Gesichter wirkten erschöpft. Ich nahm die Abkürzung hinter dem MAC und die Winthrop Street hinunter, wo ich eine Zwischenstation im Pinocchios einlegte, einem anderen beliebten Pizzaladen auf dem Campus, der besonders bei den Sportlern beliebt war. Nocch’s – so wurde es auf dem Campus abgekürzt – war groß genug, um zehn Leuten einen Sitzplatz bieten zu können, was bedeutete, dass die Tische schnell wieder neu besetzt wurden und die meisten Kunden ihre Pizzen einfach mitnahmen. Während Tommy’s für seine amerikanischen Pizzen berühmt war, war das Nocch’s der Treff für warme Sandwiches und dicke sizilianische Pizzaecken. In jeder beliebigen Nacht konnte man in den engen Räumlichkeiten der Pizzeria den Kapitän der Footballmannschaft mit dem Kapitän der Tennismannschaft plaudern sehen oder die Fußball- Torschützenkönigin im Gespräch mit dem Schwergewichtsmeister der Ringer. Mit anderen Worten, es war nicht unbedingt der Ort, wo man eine verbissene Debatte über die Dialektik des Aristoteles zu hören erwartete.
Ich holte mir ein Stück heiße sizilianische Pizza und eine Dose Limonade, bevor ich mich zum Fluss begab. Der übliche Strom von Joggern, die normalerweise ihre Runden um den Memorial und den Storrow Drive drehten, war zu ein paar einsamen Versprengten ausgedünnt. Dalton wartete bei den Docks des Newell-Bootshauses auf mich. Er saß da und warf Steine ins Wasser.
»Lass uns spazieren gehen und dabei reden«, sagte er und stand auf. »Der Wind, der vom Wasser weht, treibt mir die Lebensgeister aus.«
Also gingen wir nach Osten am Fluss entlang; vor uns schimmerten in großer Entfernung die Lichter von Boston. Wir gingen den Storrow hinunter und an den makellosen georgianischen Backsteingebäuden der Business School vorbei. Ich konnte Dalton ansehen, dass er sich in einer philosophischen Stimmung befand.
»Meinen Großvater hat es sechs Millionen Dollar gekostet, bis der Imperator einen Abschluss an dieser Fakultät hatte«, sagte er und deutete auf die stoischen Gebäude der Business School, die sich hinter einer Fassade aus hohen Bäumen versteckten.
»Wie kommt man auf Studiengebühren von sechs Millionen Dollar?«, sagte ich.
»Indem man ein Schmiergeld drauflegt. Der Imperator hatte keine echte Berufserfahrung, und das Zulassungsbüro wollte ihn nicht, bevor er nicht ein paar Jahre wirklich gearbeitet hatte. Sie lehnten seine Antrag also nicht offiziell ab, wie sie es bei jedem anderen Bewerber gemacht hätten, der ihre Auswahlkriterien nicht erfüllte, sondern riefen meinen Großvater an und baten ihn höflich, der Imperator solle sich doch in ein paar Jahren noch einmal bewerben.«
»Wäre es für deinen Großvater nicht wesentlich billiger gewesen, ihn ein paar Jahre arbeiten und sich dann erneut bewerben zu lassen?«
»Natürlich, aber der Imperator wollte seinen Willen haben. Die Harvard Business School war damals der perfekte Club für Jungs, die jede Menge Geld im Rücken hatten und den Ehrgeiz besaßen, noch ein paar Nullen an ihr Vermögen dranzuhängen. Also spendete mein Großvater still und heimlich sechs Millionen Dollar, um ein paar Lehrstühle einzurichten und den Rest ihrem Stipendienfond zuzuführen.«
»Wäre ich dein Großvater gewesen, hätte dein Vater erst einmal ein paar Jahre richtig arbeiten müssen«, sagte ich. »Kein Stück Papier ist sechs Millionen Dollar wert.«
»Es ist nicht nur das Stück Papier, Spence, es ist die Mitgliedschaft in einem der exklusivsten Clubs der Welt. Die Harvard Business School ist ein besonderer Ort mit einem besonderen Einfluss. Aber es gibt noch speziellere Orte, deren Mitgliedschaft
Weitere Kostenlose Bücher