Der Geheime Orden
weiteres Glas Eistee und schob sein Tablett zur Seite. »Zunächst einmal ein bisschen über den Hintergrund. Derzeit gibt es neun endgültige Clubs in Harvard, den Porcellian, Owl, AD, Fly, Delphic, Fox, Spee, Phoenix und DU. Jeder von ihnen besitzt eine riesige alte Villa hier in Cambridge, die ihnen als Clubhaus dient. Es sind exklusive Clubs – nur für Mitglieder, nur für Männer – deren Geschichte bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Damals gab es in Harvard drei verschiedene Arten von Clubs, die wie bei einer Pyramide hierarchisch aufeinander aufbauten. Der Dickey war eine Geheimgesellschaft, die sich aus dem Institute of 1770 und dem Hasty Pudding Club entwickelte. Der Dickey war die erste Stufe auf der sozialen Leiter.«
»Ist das derselbe Hasty Pudding Club, der jährlich Preise an berühmte Schauspieler verleiht?«
»Genau. Er fing als Geheimgesellschaft an und wurde dann zu einem Theaterclub. Vor etwa vierzig Jahren begannen sie den Man and Woman of the Year Award zu verleihen und für die Geehrten eine Parade die Massachusetts Avenue hinunter bis in die Mitte des Harvard Square zu veranstalten. Es ist eine große Tradition, und alle männlichen Mitglieder des Pudding verkleiden sich und nehmen an der Parade teil. Wie auch immer, über dem Dickey rangierten die so genannten Warteclubs. Die Studenten traten ihnen in der Hoffnung bei, dass sie eines Tages die Spitze der Pyramide erreichen würden, die endgültigen Clubs.
Der Porcellian, oder auch Pork, war der erste und für einige Jahre einzige der endgültigen Clubs. Nur Studenten aus den reichsten Familien mit den erlesensten Stammbäumen kamen überhaupt als Mitglieder des Pork in Frage. Sie veranstalten private Abendgesellschaften und Ausflüge und vergnügten sich im teuersten aller Privathäuser in Cambridge. Was sie aber am meisten heraushob, war ihre strikte Geheimhaltung. Abgesehen von den Bediensteten durfte niemand, nicht einmal der Universitätspräsident, einen Fuß in ihr Haus setzen. Aus ihren Ritualen und Traditionen wurden Legenden gestrickt. Im Lauf der Jahre wurden aus einigen alten Verbindungen heraus allmählich weitere endgültige Clubs gegründet.«
»Und diese Clubs haben sich nie für Frauen geöffnet?«
»Nie. Und das wird sich auch nicht ändern. Sie haben sich gegen jede denkbare Art von Druck zur Wehr gesetzt – Klagen, Demonstrationen, Sanktionen –, aber nichts hat auch nur annähernd Eindruck auf sie gemacht. Es hat sie nur stärker gemacht. Die Clubs in Princeton und auch die in Yale wurden gezwungen, ihre Tore zu öffnen, also sind die endgültigen Clubs allein übrig geblieben, die ältesten reinen Männerbünde an den Universitäten des Landes.«
»Und wie wird man dort Mitglied?«, fragte ich.
»Früher war es eine Frage von Geld und Ansehen«, sagte Dalton. »Du musstest von der richtigen Privatschule kommen, und deine Eltern mussten in einer der großen Städte im Osten wohnen, in Boston, New York oder Philadelphia. Deine Familie musste diesen ganzen gesellschaftlichen Mist mitmachen, im Winter nach Florida reisen, im Sommer in den Norden nach Cape Cod. Alle großen Namen, die in Harvard studiert haben, waren Mitglieder in einem dieser Clubs, von Präsident Teddy Roosevelt, der im Pork war, bis zu John F. Ken nedy, der zum Spee gehörte. Teddys Cousin, Präsident Franklin D. Roosevelt, konnte nicht in den Pork kommen, also begnügte er sich mit dem Fly Club.«
Ich fragte: »Kannst du auch ins Haus, wenn du kein Mitglied bist?«
»Unter keinen Umständen. Männliche Harvardstudenten, die keine Mitglieder sind, müssen den Hintereingang nehmen und dürfen nicht weiter als bis ins Billardzimmer oder in den Fernsehraum im Untergeschoss. Auf keinen Fall dürfen sie die zentralen Räume des Hauses betreten.«
»Und was ist mit Frauen?«
»Ein paar, aber nicht alle Clubs lassen sie rein. Sie dürfen nur bestimmte Stockwerke betreten, und viele Clubs haben regelrechte Stundenpläne, in denen festgelegt ist, durch welche Türen an welchen Tagen Frauen gehen dürfen. Manchmal dürfen sie nur durch die Hintertür eintreten. Das treibt die Feministinnen regelmäßig in den Wahnsinn.«
Ich betrachtete die drei Fackeln auf dem Umschlag und fragte mich, warum einer dieser Clubs ausgerechnet mich zu einer Cocktailparty einladen sollte, wo ich doch das Gegenteil all dessen verkörperte, wofür sie standen. Kein Geld, kein Stammbaum und eine staatliche Schulausbildung. Ich war genau die Art von Student, die sie
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