Der Geheime Orden
der Bibliographie nachschauen.«
Die Bildschirmanzeige änderte sich ein paar Mal, und innerhalb weniger Sekunden starrten wir auf eine Liste von Literaturhinweisen. Die Informationen über Williams stammten aus der Ausgabe der Boston Post vom 17. Oktober 1931.
»Kann ich eine Kopie dieses Artikels auf Mikrofilm bekommen?«, fragte ich.
»Ich schaue gerade in unseren Beständen nach«, sagte sie und hämmerte auf ihrer Tastatur, wobei sie mit dem Cursor über mehrere Bildschirmseiten wanderte. Schließ lich sagte sie: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche möchten Sie zuerst hören?«
»Die schlechte.«
»Wir haben diese Zeitung nicht auf Mikrofilm, aber die Stadtbibliothek von Boston scheint sie in ihrer Filiale am Copley Square vorzuhalten. Die gute Nachricht ist, dass wir diesen speziellen Artikel im Universitätsarchiv vorrätig haben.«
»Das Universitätsarchiv?«
»Das ist eine besondere Abteilung, die Material aufbewahrt, das mit der Geschichte der Universität zu tun hat. Es ist in der Pusey-Bibliothek untergebracht.«
Ich hatte noch nie von der Pusey-Bibliothek gehört, aber das war wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Harvard mehr als einhundert Bibliotheken besaß. »Und wo liegt die Pusey-Bibliothek?«, fragte ich.
»Unter uns«, sagte Lucy. »Sie können sie erreichen, wenn Sie unten im Erdgeschoss den langen Flur entlanggehen. Normalerweise ist an Wochenenden nicht geöffnet, aber Sie haben Glück. Die College-Bibliothek veranstaltet an diesem Wochenende eine große Historikerkonferenz. Und als Geste gegenüber den Konferenzteilnehmern hat man sich bereit erklärt, das Archiv zugänglich zu halten.«
31
Der Lesesaal des Universitätsarchivs lag am Ende eines langen, mit Teppichen ausgelegten Flurs, direkt neben einer der berühmtesten Kartensammlungen der Welt. Er war voller uralter Texte in runderneuerten Einbänden. Kataloge und Verzeichnisse drängten sich in Bücherregalen, die die gesamte Breite der Wände einnahmen, und Stapel von historischen Kompilationen standen herum. Der Raum war beinahe menschenleer, und doch unterhielten sich die Archivare im Flüsterton, wie es ihre Gewohnheit war. Mir wurde schnell klar, dass die Archivabteilung eine unterirdische Goldgrube für ernsthafte Forschung war. Eine gelehrsam aussehende Dame mit graumeliertem Haar und einem Bleistift hinter dem Ohr schenkte mir ein Lächeln, als ich auf den Empfangsschalter zukam.
»Mein Name ist Peggy«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin auf der Suche nach einigen Zeitungsartikeln«, sagte ich.
»Waren Sie schon mal hier?«
»Nie.«
»Sind Sie Student?«
»Im zweiten Jahr.«
»Gut. Das Archiv steht allen Studenten und auch Nichtmitgliedern der Universität offen, aber ich muss Sie bitten, sich zunächst zu registrieren. Anschließend werde ich Ihnen eine Nummer zuteilen, die Ihnen für den Rest Ihres Besuchs als Identitätsnachweis dient.«
Sie gab mir ein Formular zum Ausfüllen. Als ich damit fertig war, tippte sie meine Angaben zügig in den Computer ein.
»Okay, Sie sind jetzt offizieller Benutzer«, sagte sie mit einem Lächeln. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich suche nach einem Artikel über einen Biblioklepten aus den Dreißigerjahren, der die Widener-Bibliothek geplündert hat.«
»Das ist eine interessante Frage«, sagte sie und nickte. »Ich arbeite schon seit fünfzehn Jahren hier, aber das ist das erste Mal, dass jemand mich nach so etwas fragt. Darf ich wissen, ob es für ein bestimmtes Seminar ist?«
»Ich spiele mit dem Gedanken, eine Arbeit über Biblioklepten zu schreiben und die psychologischen Motive, die hinter ihren Taten stecken«, sagte ich. Meine Antworten wurden immer besser. Übung macht den Meister. »Also wollte ich mir ein paar Fälle anschauen und prüfen, ob das Material für eine ganze Arbeit ausreicht.«
Sie nahm mir die Geschichte ohne Weiteres ab. »Nun, dann lassen Sie uns mal schauen«, sagte sie eifrig. »Haben Sie die Archivsignatur für die Akte, nach der Sie suchen? Leider haben wir so viel Material in unseren Magazinen, dass der Großteil davon außerhalb des Campus aufbewahrt wird. In diesen Fällen kann es ein paar Tage dauern, bis es hier ist. Aber es ist durchaus möglich, dass Ihr Artikel sich bei uns im Keller befindet. Wir sollten es auf jeden Fall überprüfen.«
Ich nannte ihr die Nummer, die Lucy herausgefunden hatte, und sie gab sie in den Computer ein, wobei ich ein stilles Gebet gen Himmel sandte.
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