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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Smith
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den Namenspatron des Bostoner Sumner-Tunnels, der den Flughafen und die östlichen Stadtteile mit der Innenstadt verband. Direkt neben der runden, gläsernen Uhr hing das Porträt des Dichters Henry Wadsworth Longfellow, der einst Professor am College gewesen war.
    Von meinem Platz aus konnte ich in die Eingangshalle schauen und beobachtete, wie der Sicherheitsbeamte von seinem Tisch aufstand und die Eingangstür abschloss. Kurz darauf trat Forde aus einer kleinen Tür in die Eingangshalle und begab sich zur Glasvitrine. Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche, suchte den Schlüssel heraus, der das Vitrinenschloss öffnete, und nahm vorsichtig den großen Lederkasten von seinem Sockel. Erst nachdem er durch dieselbe Tür wieder verschwunden war, schloss der Sicherheitsbeamte den Eingang auf und nahm seine Position hinter dem Tisch wieder ein.
    Innerhalb weniger Minuten war Forde in den Lesesaal und hinter den Schalter zurückgekehrt. Ich schaute ihm zu, wie er den Kasten öffnete und das übergroße Buch heraushob, assistiert vom Ehrlichen Abe. Ihre Bewegungen waren präzise und überlegt; ich hatte das Gefühl, hier das literarische Gegenstück zu einer militärischen Übung zu erleben. Nachdem das Buch sicher aus seiner Verpackung befreit war, schrieb Forde kurz etwas auf ein Blatt Papier, das vor ihm lag, und kam anschließend so bedächtig in meine Richtung, als wollte er einer trauernden Kriegerwitwe die gefaltete Flagge überreichen. Ich war wie erstarrt und konnte kaum glauben, dass ich in wenigen Sekunden jenes Buch in Händen halten würde, auf dem das gesamte Vermächtnis Harvards lastete.
    »Bitte, ziehen Sie die Buchwiege näher zu sich heran, damit ich den Band darin ablegen kann«, sagte Forde, als er neben mir stand.
    Jetzt begriff ich, wozu diese Styroporgebilde gut waren, die überall auf den Tischen standen. Auf jedem Tisch gab es mindestens sechs davon, alle von unterschiedlicher Größe und Dicke. Doch ihre Form war stets gleich: ein weit geöffnetes V auf einer rechteckigen Basis. Sobald ich mir die Buchwiege zurechtgestellt hatte, legte Forde sanft das Buch darauf ab.
    »Wir müssen Sie bitten, dass Buch auf keinen Fall aus der Wiege zu nehmen«, sagte er. »Sie schützt den Einband vor Schäden und schont den Rücken. Wie Sie sich vorstellen können, sind diese Seiten extrem brüchig. Wir wären Ihnen daher sehr verbunden, wenn Sie vorsichtig umblättern würden. Haben Sie noch Fragen?«
    Vor Nervosität brachte ich fast kein Wort heraus. Der Gedanke, dass dieses Buch, das im Mittelpunkt so vieler Intrigen und Kontroversen stand, direkt vor mir lag, überwältigte mich.
    »Kann ich es öffnen?«, fragte ich, immer noch nicht ganz überzeugt, dass er mich ein mehr als dreihundertfünfzig Jahre altes Buch öffnen ließ. Wenn irgendein Irrer käme und einfach alle Seiten aus dem Buch riss? Die ganze gut bewachte Geschichte wäre in wenigen Augenblicken verschwunden.
    »Es gehört Ihnen«, sagte er. »Das Buch darf diesen Raum natürlich nicht verlassen. Ich bin am Eingang, wenn Sie noch mehr Hilfe brauchen. Frohes Forschen.«
    Er kehrte zum Informationsschalter zurück und ließ mich allein. In den ersten fünf Minuten konnte ich mich nicht überwinden, das Buch anzurühren. Ich saß da und studierte den Einband, abgegriffenes, braunes Leder ohne Titel oder andere Merkmale. Langsam ließ ich die Hand über den weichen Einband gleiten, hielt über Dellen und Eindrücken inne, um sie genauer zu ertasten, über kleinen Kerben und Stellen, an denen das Leder stärker beansprucht worden war. Ich bemerkte kleine, dunklere Bereiche, die aussahen, als wären sie durch Wasser verursacht worden, und ich fragte mich, ob der legendäre John Harvard persönlich gekleckert hatte, als er sich über dieses Buch gebeugt spät abends in den Schlaf gelesen hatte.
    Ich hob den Kopf und schaute zum Informationsschalter. Forde war am Computer beschäftigt, und die anderen Referenzbibliothekare waren irgendwo in den hinteren Räumen verschwunden. Ich schlug den Buchdeckel auf und bemerkte plötzlich anhand seiner mitgenommenen und zerkratzten Innenseite, wie alt dieser Band war. Das Leder war immer noch mit einem primitiven, dicken Leim, der das ganze Buch nach wie vor überraschend gut zusammenhielt, am Einband befestigt. Ein handgeschriebenes Exlibris verkündete, dass es einst zum persönlichen Besitz des John Harvard gehörte. Die Titelseite war ebenso vom Alter gezeichnet, aber immer noch deutlich lesbar und in

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