Der Geheime Orden
exklusiven Gala.
»Wozu werden diese Poster gemacht?«, fragte ich einen meiner neuen Brüder, der zufällig neben mir stand.
»Tja, es ist wohl vor allen Dingen eine Tradition«, sagte der kleine Mann. »Ich bin Fritz Simington, Abschlussjahrgang 1952.«
Wir gaben uns die Hände.
»Zu jedem größeren Abendessen und jeder festlichen Veranstaltung, die im Laufe des Jahres stattfinden, lassen wir ein solches Poster zur Erinnerung an das jeweilige Ereignis entwerfen«, sagte er. »Jeder, der daran teilnimmt, verewigt sich darauf mit Namen und Abschlussjahrgang. Das Poster, auf dem du gerade unterschrieben hast, wird heute Abend noch von den übrigen Mitgliedern unterzeichnet. Anschließend wird es gerahmt und im Club aufgehängt. Du wirst im Haus jede Menge solcher Poster sehen.«
Die Party verlagerte sich nach oben, und ich folgte dem Rest der Gruppe. Die Wände waren gepflastert mit Schwarzweißfotos von teils stehenden, teils sitzenden Clubmitgliedern. Unten auf den Holzrahmen war das Entstehungsjahr jeder Aufnahme auf einem Bronzeschild eingraviert.
»Das sind die offiziellen Gruppenfotos, die die aktiven Mitglieder jedes Jahr im Hof machen lassen«, sagte Fritz. »Einige der Aufnahmen reichen bis ins späte neunzehnte Jahrhundert zurück. Die älteste, die ich je gesehen habe, stammt von 1891. Sie hängt irgendwo oben.«
Es war unheimlich, an diesen Wänden vorbeizugehen, während Hunderte ernster Gesichter mich durch diese schlichten Rahmen beobachteten. Ich fragte mich, was sie wohl von mir gehalten hätten, von dieser schwarzen Orchidee, die in ihren weißen Liliengarten eingedrungen war. Ich konnte mir vorstellen, dass einige von ihnen sich im Grab umdrehen würden.
Als wir uns dem ersten Stock näherten, erblickte ich endlich das erste schwarze Gesicht. Es war die Aufnahme von 1976. Hätte er nicht diese riesige Afrofrisur gehabt, wäre er mir wahrscheinlich entgangen. Ich vergaß einen Augenblick lang mein eigenes Gefühl der Einsamkeit und zog meinen Hut vor diesem Pionier. Ich konnte mir die Schwierigkeiten gar nicht vorstellen, denen er auf seinem bahnbrechenden Weg gegenübergestanden hatte. Während ich in sein gelassenes Gesicht blickte, fragte ich mich, was zukünftige schwarze Novizen wohl denken würden, wenn sie mich dereinst irgendwo an dieser Wand entdeckten.
Oben angekommen bogen wir nach rechts ab und gelangten durch zwei geöffnete Flügeltüren in einen höhlenartigen Ballsaal. Riesige, ausgestopfte Karibuköpfe hingen auffällig unter den Dachsparren. Überall an den dunklen Wänden, über dem Kaminsims und auf dem Piano erschreckten Büffel-, Reh- und Bisonköpfe das unvorbereitete Auge. Die älteren Mitglieder erzählten Geschichten von abenteuerlichen Jagden und mutigen Expeditionen, denen die Linden Street 9 diese Tiere zu verdanken hatte. Schmale Tische zogen sich durch die gesamte Länge des Saals. Auf weißen Leinentischdecken standen schwarze Champagner Flaschen, hohe Kerzen und schmuckvolles Porzellan. Die trockenen Holzscheite knackten im Kamin, und der Saal füllte sich mit dem Lachen und der Fröhlichkeit der Delphic-Männer.
Ich schaute zum anderen Ende des Saals hinüber, wo eine Quertafel für die wichtigen Leute reserviert war, die Alumni-Vorstände und die großzügigen Seelen, von denen die dicksten Schecks kamen. Fünfzehn Dienstmädchen in adretten schwarz-weißen Uniformen standen bereit.
Ich schloss mich Hutch an, als wir unsere Plätze an den langen Tischen einnahmen. Die Dienstmädchen liefen zwischen dem Saal und der Küche hin und her, um jeden unserer Wünsche zu erfüllen. Nachdem wir uns während des ersten Gangs eine halbe Stunde lang unterhalten hatten, erklang ein schneidender Laut von der Quertafel.
Ein kräftiger Mann mit rundem Gesicht war aufgestanden, reckte das Kinn vor und schlug mit einem Messer gegen ein Weinglas. Stille senkte sich herab.
»Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten«, rief er mit schneidiger, markanter Stimme. »Für diejenigen von euch, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Ellsworth Stohler, und ich bin für heute Abend euer Zeremonienmeister. Ich gehöre zum hochehrenwerten Abschlussjahrgang von 1979.«
»Sagtest du 1959?«, rief jemand durch den Saal, was einige Lacher zur Folge hatte.
Nachdem der Lärm abgeklungen war, hob Stohler sein Glas und sagte: »Das sind die Gefahren meines Jobs. Aber ich werde euch heute Abend weiterhin furchtlos und treu dienen. Wie ich schon sagte, mein Name ist Ellsworth Stohler,
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