Der Geheime Orden
machen.«
Stohler nahm einen tiefen Zug von seinem Stumpen, blies eine Rauchwolke an die Decke und hakte die Daumen hinter seine weiten Hosenträger. Niemand im Saal bewegte sich.
»Ein frisch geschiedener Mann mit einer Pechsträhne beschließt, eine Strip-Bar zu besuchen. An diesem Abend herrscht überraschend viel Betrieb, und als er hineinkommt, bemerkt er, dass sich der einzige freie Platz, den es noch gibt, direkt in der ersten Reihe befindet. Froh über diesen glücklichen Start in den Abend beeilt er sich, den Platz für sich zu ergattern, und macht es sich bequem. Die Musik beginnt zu spielen, alle kommen langsam in Stimmung, und als schließlich die erste Tänzerin auf der Bühne erscheint, ruft ein großer, kräftiger Holzfällertyp direkt hinter ihm: ›Los, Baby! Los, Baby! Genau das will Papa sehen!‹ Der Mann in der ersten Reihe ist nicht gerade begeistert darüber, dass der Holzfäller ihm direkt in die Ohren brüllt, und er ist ebenso wenig begeistert darüber, wie der Kerl mit der Frau spricht, auch wenn sie eine Stripperin ist. Unser Mann mag zwar eine Pechsträhne haben, trotzdem ist er ein Mann von Welt. Also dreht er sich zu dem Holzfäller um und wirft ihm einen strengen Blick zu. Ein paar Minuten später ist die Show in vollem Gange, und mit einer akrobatischen Bewegung entledigt sich die Tänzerin ihres Oberteils. Das Publikum pfeift und johlt, doch die Stimme des Holzfällers übertönt alle anderen Geräusche: ›Los, Baby, los! Lass tanzen, was du hast! ‹ Unser Mann ist schon ganz genervt von den ständigen Kommentaren des Holzfällers, dreht sich zu ihm um und sagt: ›He, Kumpel, du bist nicht der Einzige, der Geld dafür bezahlt, um die Show zu sehen. Mach mal halblang!‹
Die Show läuft weiter, und die Tänzerin bringt diese Nummer, bei der sie in die Luft springt, sich das Röckchen herunterreißt und mit gespreizten Beinen auf der Bühne landet. Alles in einer einzigen, fließenden Bewegung. Sie trägt nur noch einen winzigen G-String, und der Laden kocht. Der Holzfäller kann kaum noch an sich halten: ›Oh, Baby, Baby!‹, stöhnt er. ›Du hast es fast geschafft!‹ Was also macht unser Mann in der ersten Reihe? Er dreht sich um und brüllt: ›Verdammt noch mal, halt endlich die Klappe!‹ Die Menge beruhigt sich schließlich wieder, und die Stripperin tanzt weiter, bis sie den letzten Akt hinlegt. Mitten in einer Drehung zieht sie sich den G-String ab und wirft ihn in die Menge. Alle drehen durch, nur nicht der Holzfäller. Seltsamerweise hört man keinen Mucks von ihm. Unser Mann in der ersten Reihe wird neugierig, dreht sich zu ihm um und sagt: ›He, Kumpel, wo ist denn deine Begeisterung geblieben?‹ Das Gesicht des Holzfällers sieht völlig entspannt aus, als könnte er jeden Augenblick einschlafen. Er betrachtet unseren Mann in der ersten Reihe und lächelt: ›Sie klebt an deinem Rücken, Mann.‹«
Der Saal sprang auf, und es gab stehende Ovationen. Stohler verneigte sich winkend vor der johlenden Menge. Der Beifall hielt eine ganze Weile an, bis alle sich wieder gesetzt hatten und ein tapferer Novize aufgestanden war, um seinen Witz zum Besten zu geben. In der nächsten Dreiviertelstunde folgte ein Witz dem anderen, und Kästen mit Cohiba-Zigarren wurden herumgereicht, die aus Kuba über London illegal ins Land geschmuggelt und in ein spezielles Delphic-Pergament gewickelt worden waren.
Die Tradition schrieb vor, dass der letzte Witz des Abends vom ältesten anwesenden Mitglied erzählt wurde. Der zweiundneunzigjährige Wallis Cabot stemmte sich mit Hilfe zweier Stöcke und der beiden Mitglieder neben ihm langsam hoch. Seine Stimme war schwach, doch sein Witz war stark, und er brachte eine makellose Geschichte über einen Bauarbeiter, der irrtümlich in eine Samenbank ging. Der Beifall war spontan und ausdauernd, und Cabots Augen leuchteten, als wäre der Zauber der Jugend zu ihm zurückgekehrt, wenn auch nur für einen Augenblick.
In der Ecke des Saals erklang ein Klavier, als ein junges graduiertes Mitglied begann, in die Elfenbein tasten zu hämmern. Alle bildeten einen Kreis um den gesamten Saal, und Stohler reckte einen riesigen Silberpokal mit zwei kunstvoll verzierten Griffen in die Höhe. Er erinnerte mich an den Pokal von Wimbledon.
»Und was passiert jetzt?«, fragte ich Hutch.
»Jetzt kommt die Pokalhymne«, sagte Hutch. »Wir beenden jedes Essen, indem wir dieses Lied singen und den Pokal herumgehen lassen, damit jeder auf die Brüderlichkeit
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