Der Geheime Orden
Bartender, der .die Drinks servierte, war ein kleiner, gedrungener Mann mit breiter Nase und langen Ohren. Seine verblichene graue Uniform schien noch aus der Gründungszeit des Clubs zu stammen.
»Das ist Roscoe«, sagte Hutch. »Er ist schon seit über vierzig Jahren hier. Wenn irgendwann abends mal nicht so viel Betrieb herrscht, musst du dir von ihm ein paar Geschichten erzählen lassen. Er war hier, als Kennedy und ein paar seiner Freunde aus dem Spee Club versuchten, ins Untergeschoss einzubrechen. Er kennt alles und jeden.«
Direkt über dem Schnapsregal hingen in einem Rahmen fünf Spielkarten vor rotem Filz. Es war ein Royal Flush – Zehn, Bube, Dame, König, Ass. Unterhalb der Karten stand eine ausladende Unterschrift, die ich nicht entziffern konnte, sowie das Datum 10. April 1959.
Hutch bemerkte, wie ich die Karten anstarrte. »Das ist das berühmteste Pokerblatt in der Geschichte des Delphic«, sagte er. »Bickerstaff hat damit dem Sprössling einer Öldynastie hunderttausend Dollar und einen nagelneuen Porsche abgenommen. Die alten Hasen nennen es das ›Pokerspiel des Jahrhunderts‹ Eines Tages musst du dir die Geschichte von Roscoe erzählen lassen. Er hat damals die Getränke ausgeschenkt.«
Hutch zog mich in den nächsten Raum, in dem lange Eichenholztafeln und mittelalterliche Holzstühle mit Lederpolstern standen. An einer Seite des Raumes loderte ein Feuer in einem verglasten Kamin. Darüber war eine Widmung ins Holzpaneel geschnitzt worden, darunter die Jahreszahlen 1941-1945 und eine Liste der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Mitglieder. Die Buchstaben waren zwischen zwei Fackeln geschnitzt und mit Blattgold ausgeschlagen.
SIE WERDEN NICHT ALTERN WIE WIR ÜBRIGEN ALTERN DAS ALTER WIRD SIE NICHT ZEICHNEN NOCH DIE JAHRE SIE VERDAMMEN WENN DIE SONNE UNTERGEHT UND AM MORGEN WERDEN WIR UNS AN SIE ERINNERN
Ein Delphic-Porzellanteller ruhte auf dem Kaminsims in einem Ständer, auf dem zu lesen war:
Ein Satz Delphic-Porzellan geschenkt von den Eltern zur Erinnerung an Ralph Blake Williams III. 1933-1963
»Hier nehmen wir unser tägliches Mittagessen ein«, informierte mich Hutch. »Das Essen wird in zwei Schichten serviert, einmal um zwölf und einmal um eins. Vergiss nicht anzurufen, wenn du dich verspätest. Janice wird dein Essen für dich warm halten.«
Er deutete auf ein Regal mit einem komplizierten Schnitzmuster, das unter der Decke entlanglief. Ich hatte es sofort bemerkt, als ich den Raum betreten hatte.
»Diese Porzellankrüge und Silberhumpen sind ein bedeutender Teil der Geschichte des Clubs«, sagte er. »Die beiden in der hinteren Ecke gehörten sogar zu Napoleons persönlicher Schatzkammer, bevor er nach Elba ins Exil verbannt wurde. Sie sind wahrscheinlich eine halbe Million Dollar wert.«
»Warum stehen sie so ungeschützt da, wenn sie so kostbar sind?«, fragte ich.
»Die Alumni wollen es nicht anders. Sie haben seit der Gründung des Clubs in dieser Ecke gestanden. Es sind Geschenke der Morgans. Sie besuchen uns nur einmal im Jahr zum Mittwinter-Essen im Februar. Die Präsidenten der aktiven und der graduierten Mitglieder benutzen sie immer für den ersten Trinkspruch.«
Ich ließ den Blick das Regal entlangwandern und betrachtete die Krüge und die anderen reich verzierten Trinkgefäße. Alles in diesem Haus besaß seine eigene Geschichte, kleine Anekdoten, die zusammengenommen den Club zu einem noch größeren Geheimnis machten. Ich hatte immer noch nicht ganz begriffen, dass ich jetzt ein Teil dieser Geschichte war.
Wir durchquerten die Eingangshalle und betraten den Billardraum. Ein langes Ruder hing über den Flügeltüren. Es war von einer dicken Schicht Firnis bedeckt und trug die Worte:
Ungeschlagene Mannschaft, Universitätsregatta
New London, Connecticut, 24. Juni 1938
»Mein Name ist Charles P. Thorpe, vom Abschlussjahrgang 1962.«
Ich drehte mich um und sah mich einem kahlköpfigen Mann mit einer langen, spitzen Nase und dicken, schwarzen Augenbrauen gegenüber. Hutch hatte mit einem anderen Alumnus eine Unterhaltung begonnen.
»Wie war noch gleich Ihr Name?«, fragte Thorpe.
»Spencer Collins, Abschlussjahrgang 1991«, sagte ich.
Ein steifer rechter Arm schnellte auf mich zu.
»Willkommen im Gas«, sagte er. »Sie werden diesen Abend und den Club für den Rest Ihres Lebens genießen. Abgesehen von der Wahl zwischen Harvard und Yale war die Entscheidung für das Gas die wichtigste Entscheidung meines Lebens. Ich war auch vom Pork
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