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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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aufblitzen lassen. Sie begriff, daß die scheinbar unendliche Ferne eine Illusion der Natur war und daß diese merkwürdigen kleinen Tunnels in Wirklichkeit nicht allzu lang waren. Die Bahnlinie war höchstens eine halbe Meile weit von ihr fort, links von ihr und bergabwärts.
    Sie war immer höher gestiegen und wunderte sich nicht, daß sie nun von einem höheren Standpunkt hinabblickte. Aber sie hatte die Strecke in einer anderen Richtung erwartet und sah verwirrt auf ihren Kompaß. Irgendwie war die Bahnstrecke nach Norden geraten. Sie sah sich um und bemerkte mit Sorge, daß der Nebel ringsum dünner wurde. Aber dann sah sie etwas, das ihr den Atem verschlug. Noch einmal bildete sich eine Art Tunnel, diesmal nach Süden. Und auch da sah sie die Bahnschienen in der Sonne blitzen. Offenbar lag vor ihr ein enger Bogen der Strecke, die um den Hügel, auf dem sie stand, herumgeführt war, und etwa in der Mitte dieses Bogens mußte die Stelle sein, von der sie den Rauch hatte aufsteigen sehen.
    Die Stimmen hinter ihr wurden lauter, und sie sah, daß ihre Lage kritisch wurde. Sollte der trügerische Nebel sich lichten, so wie es jetzt den Anschein hatte, konnte es gut sein, daß sie in der Falle saß – gefangen zwischen der Bahnstrecke vor sich und der Kette von Jägern, die ihr von hinten immer näher kamen. Erst jetzt wurde ihr klar, was eine Bahnstrecke in solchem Gelände bedeutete. Anders als das sanft hügelige, heidebestandene Moor war es etwas, das sie, sobald die Sicht wiederhergestellt war, nicht überqueren konnte, ohne daß ihre Verfolger sie sahen. Und wo eine gerade Strecke noch Raum für Taktik gelassen hätte, war der Halbkreis, auf den sie jetzt zusteuerte, wie ein aufgerissenes Maul.
    Sheila blickte hinauf zum Himmel, versuchte zu prophezeien, was die Elemente hinter den wehenden Dunstschwaden bereithalten mochten. Zwar war noch die Sonne zu spüren und der Nebel hob sich, aber insgesamt wurde es immer dunkler, und sie malte sich aus, wie die bleigrauen Gewitterwolken sich jenseits des Nebelvorhangs türmten; und ihr ging auf, daß so etwas wie ein Wolkenbruch sie selbst jetzt noch retten konnte. Die Stimmen waren keine hundert Meter mehr entfernt. Sie merkte, daß sie in einer regelmäßigen Reihenfolge sprachen, vom einen zum nächsten die Kette hinunter und wieder zurück. Plötzlich sagte eine der Stimmen laut etwas außer der Reihe, und alle waren still.
    Wie ein besonders perfider Trick in einem Nervenkrieg. Sheila warf sich zwischen die Heidebüsche, am ganzen Leibe bebend. Aber als letztes Mittel blieb ihr immer noch die kleine Pistole. Sie würde weiterfliehen, aber sie würde kriechen; sie würde bis an diese stählerne Schlinge herankriechen und versuchen, sich zu befreien …
    Beinahe hätte sie laut aufgeschrieen, denn unmittelbar vor ihr regte sich mit einemmal etwas – ein Hase, der dort starr gesessen hatte. Schon im nächsten Augenblick war er fort, aber noch immer steckte ihr der Schrei in der Kehle. Sie lag reglos da. Sie biß in einen Heidestrauch, denn sie wußte, was Hysterie bedeutete. Sie öffnete den Mund, sie konnte nicht anders. Aber statt eines lauten Schreis formte sie nur im Geiste Worte. Hase so hilflos gehetzt. Hase so hilflos gehetzt. Sie sprach die Worte in Gedanken immer und immer wieder, nutzte sie als Waffe im Kampf um ihre Nerven. Über Wiesen und Heide. Weil sein Glück man ihm neide. Von einem dieser harmlosen Dichter. Nichts Modernes. Philip Ploss – das war es. Ein gemütlicher Mann, der jetzt sicher irgendwo in der Sonne saß und sich ein Gläschen Sherry genehmigte. Was hatte der eine Ahnung! Sitzt ein Has im Getreide. Jägersmann auf der Weide, sagte Sheila still zu sich – und die Hysterie war verflogen.
    Der Nebel verzog sich, wie Bühnenarbeiter in die Kulissen eilen, nachdem sie die Szene für einen Sturm vorbereitet haben. Die Wolken waren schwarz, und ein einzelner Sonnenstrahl fuhr hinein wie ein Schwert. Sheila sah die Bahnlinie. Wie sie vermutet hatte, führte sie in einem großen Bogen um den Hügel, auf dem sie stand, dabei nach Süden hin abfallend. In gerader Linie vor ihr lag der Haltepunkt oder Bahnhof, von dem sie den Rauch hatte aufsteigen sehen. Er lag auf ihrer Seite der Gleise und bestand aus einem langgestreckten scheunenartigen Bau mit zwei niedrigen Stockwerken – eine Verladestation für Schafe. Sie sah – und konnte es zunächst nicht glauben – Rauch von einem weiteren Zug.
    Auf der Nordseite des Schuppens ragten ein leerer

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