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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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ab, und dann wäre sie vom Haus aus nicht mehr zu sehen. Sheila beschloß, daß sie sich auch weiterhin an ihre Order halten würde.
    Langsam ging sie etwa zwanzig Schritte voran, hielt inne, ging dann ein Stück in eine ganz andere Richtung. Sie mochte ja wie ein Schaf aussehen, aber sie kam sich eher wie eine kleine Jacht vor, die mühsam über das Meer des Moors navigierte. Und es war nervenaufreibend; jetzt wurde ihr klar, daß es noch weitaus mehr Disziplin forderte als alles zuvor. Mit dieser Technik täuschte sie einen Beobachter; sie entging ihm dadurch nicht. Sie wußte, daß gefährliche Augen zu den Hausfenstern hinausblickten, und die Versuchung war groß, sich zu diesen Augen einen Feldstecher hinzuzudenken, und dann wiederum konnte man sich vorstellen, wie das Gesicht hinter dem Feldstecher sich plötzlich zu einem triumphierenden Grinsen verzog. Und wenn man der Phantasie erst einmal soviel Raum gewährt hatte, dann gewann sie die Oberhand. Der Windhauch, der inzwischen über das Moor fuhr, wurde zur Stimme der Verfolger, zum Rascheln der Stiefel, die verstohlen an den Heidebüschen entlangstrichen, und immer waren sie hinter ihr, egal in welche Richtung sie ging …
    Sheila verbannte die Feldstecher aus ihren Gedanken. Sie blickte zum Himmel. Noch immer stand hoch oben der Habicht. Vielleicht war es auch ein anderer Habicht – aber er schwebte dort oben im Auge des Morgens, im Gleichgewicht seiner inneren Ruhe, Herrscher über alle Luft, die ihn umgab. Sie starrte ihn lange an. Dann ging sie wieder ein paar Schritte – zögernd, im Zickzack, wie ein Schaf.

Kapitel 11
    Hase
    Es gab zwei grundsätzliche Arten, wie Schafe sich bewegten: Sheila schloß das aus einem schmalen Pfad, den sie vor sich im Moor entdeckt hatte. Auf eher wiesenartigem Gelände waren ihre Bewegungen willkürlich, so wie Dick sie ihr beschrieben und wie sie es selbst nahe am Haus beobachtet hatte. Aber wo das Gelände felsig und karg wurde oder wo die Heide so dicht stand, daß es kaum genießbares Gras dazwischen gab, traten sie ihre Pfade aus, so gerade wie Hauptstraßen, und an diese Pfade hielten sie sich, manchmal in Gruppen, manchmal allein. Die Schafe im Tal sind fetter, dachte Sheila, aber die Bergschafe kommen mehr herum. Es war ärgerlich, daß sie anfangs das falsche Schaf nachgeahmt hatte, aber andererseits eine Befriedigung, daß sie nun darauf gekommen war. Weit war es ja nicht mehr … Sie ging energisch weiter, und binnen fünf Minuten hatte sie die Kuppe hinter sich.
    Das Haus war verschwunden; mit Glück würde sie es erst wiedersehen, wenn sie mit einer guten Zahl Polizisten zurückkehrte. Nun hielt sie wieder Ausschau nach den Anzeichen anderer, weniger unfreundlicher Behausungen. Wieder erstreckte sich vor ihr die Heide bis zum Horizont. Kein Bauernhof, kein Weiler, nicht einmal ein Wall. Auch keine Unterstände für die Jäger. In großen Teilen Nordschottlands, das wußte sie, gab es kein bäuerliches Leben mehr; es war ein Land, in das Leute nur noch zum Jagen kamen – wenige Wochen noch, dann würden sie sich in Euston und King’s Cross sammeln, in luxuriösen Schlafwagen, deren Länge sich zu Meilen summierte, würden sie diskret durch die Slums von Wigan und Preston rollen, durch Durham und Newcastle, und am nächsten Tag waren sie in den Highlands, herausgeputzt in Tartan, auf den ihre Anrechte, erworben durch angeheiratete Tanten oder Vettern dritten Grades, mehr als dubios waren. Doch nicht um diese geschmacklose Komödie kreisten ihre Gedanken, sondern um die Tatsache, daß solche Leute hierher offenbar nicht kamen. Anscheinend gab es zu wenig Wild und keine Deckung. Nur ganz im Norden war ein Kiefernwald oder eine Schonung mit einer tiefen Schneise zu sehen. Das war die einzige Spur, die auf Menschen schließen ließ.
    Und das, obwohl ihr Blick in weite Ferne ging. Das Moor erstreckte sich ostwärts bis zu den Bergen oder Hügeln, die allmählich unter heraufziehenden Wolken verschwanden. Eine dermaßene Einsamkeit war doch unvorstellbar; es mußte eine Täuschung sein, eine Eigenheit der Landschaft – irgendwo vor ihr mußte sich doch in einer Senke zumindest eine Schäferhütte verbergen. Sie hielt Ausschau nach Rauch. Aber es war nirgends Rauch zu sehen.
    Nebel kam auf. Die Sonne hatte die Herrschaft über den Tag wieder eingebüßt; Wolken verdunkelten sie im Osten, und wie aus dem Nichts bildeten sich Nebelstreifen und zogen über das Moor. Das Braun und Grün der Heide, das Blau, mit dem

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