Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
Vom Netzwerk:
»Nicht draußen auf dem Weg«, sagte sie. »Den könnten sie vom einen bis zum anderen Ende mit ihren Feldstechern sehen.«
    »Ich wollte dich suchen, Kind – aber allein komme ich im Wald nicht zurecht.« Er hielt seine Geige in die Höhe. »Nur in der Lichtung, da sehe ich mit den Tönen.« Er löste sein Bündel, das er, in ein altes Plaid gewickelt, auf dem Rücken trug, und legte es neben sich auf den Boden. »Das ist ein langer Weg für einen alten Mann. Aber sind sie immer noch hinter dir her, Kind, der Schlächter und seine Gesellen? Ich habe sie in die Stadt geschickt.«
    Der Herzog von Cumberland, dachte Sheila – oder doch der noble Herzog von York? »Fiedler«, fragte sie, »was ist das für eine Gegend von Schottland hier?«
    »Vor dir liegt das Land des Clan Vurich, Kind, und hinter dir das Land der Macdonalds von Keppoch und Clanranald.« Er hielt inne. »Clanranald«, sagte er noch einmal, und es klang aus seinem Munde wie ein Schimpfwort. »Clanranald, der Grundherr von Moidart und Arisaig und Morar ist.« Wieder überlegte er. »Ja – und von Benbecula und Eriskay.«
    Harry McQueen mußte wohl an seinen Beruf als Sänger denken, denn so abgelegen, wie er ihn hinstellte, konnte der Ort unmöglich sein. Eriskay war eine Insel, und dort waren sie mit Sicherheit nicht. Aber einstweilen waren sie rundum von Wald umgeben, und Sheila war nicht klüger als zuvor. Sie versuchte es noch einmal. »Was ist jenseits des Waldes?« fragte sie.
    »Die Rotröcke, Kind.«
    »Aber Harry McQueen …«
    »Vielleicht auch die Frasers mit dem Verräter, der sie anführt. Simon Lovat, Kind – Jesuit noch dazu, aber ein guter Prediger; Mistress Mackenzie von Fraserdale hat er rauben und heiraten wollen, und als er sie nicht zu fassen bekam, nahm er statt dessen die Mutter.«
    Sheila hatte den Verdacht, daß er diese spezielle Form von Irrsinn vor vielen Jahren für die Touristen eingeübt hatte. Aber inzwischen schien es sein natürlicher Tonfall zu sein. »Macht euch keine Sorgen um Lord Lovat, Harry McQueen«, sagte sie. »Der ist längst geköpft und kann uns nicht mehr gefährlich werden. Was ist jenseits des Waldes? Wo ist das nächste Dorf mit einem Telefon?«
    »Psst!«
    Sheila hörte nichts. Aber der Fiddler hatte den Kopf gehoben und stand mit dem seltsam aufmerksamen Gesicht da, das Blinde haben, wenn sie horchen.
    »Sie sind im Wald, Kind. Wir gehen zur Wolfshöhle. Da finden sie dich nicht.« Er schnallte sich sein Bündel wieder auf. »Wir halten uns immer an der Lichtung, Kind. Du mußt mich führen, eine Meile weit.«
    Sheila sah Harry McQueen an und hatte den Eindruck, daß er wacher, gespannter war als zuvor, ein Mann, der sich aus seinen Träumen reißt und wieder der Wirklichkeit zuwendet. Sie stellte fest, daß sie keine Mühe hatte, an die Existenz einer Wolfshöhle zu glauben – vielleicht gerade weil sie so entsetzlich erschöpft war. »Gebt mir euren Arm, Harry«, sagte sie und führte ihn behutsam voran.
    Stille umgab sie: das spätsommerliche Schweigen der Vögel, die unerschütterliche Ruhe dieses Ortes mit seinem Nadelteppich und dem Dach der Baumwipfel. Sheila spitzte die Ohren, aber sie konnte nichts von ihren Verfolgern hören. Und auch vorn hörte sie nichts. Zwei Meilen, überlegte sie. Wenn es mir vorkommt, als ob wir zwei Meilen gegangen sind, wird es eine nach Harrys Maß sein. Die Wolfshöhle. Einen Augenblick lang protestierte ihr Verstand, ihr Kopf schwirrte beim Gedanken an die Phantasiewelt, in die sie geraten war. Aber die Männer, die sie verfolgten, waren keine Phantasie. Und vielleicht waren es ja auch – gerade – die Bucht und der Born und der Garten nicht … Sie marschierte eine Ewigkeit, half dem Blinden über Wurzeln, steuerte ihn an Bäumen vorbei. »Harry«, sagte sie schließlich, »ich glaube, jetzt sind wir eine Meile gegangen.«
    »Dann lass die Lichtung hinter dir, mein Kind, und führe mich in den Wald.«
    Immer am Rande der Schneise entlang waren sie bis hinunter ins Tal gekommen; jetzt ging es in der neuen Richtung wieder steil bergauf. Von weiter vorn war das Blubbern und Murmeln eines Bachs zu hören, aber noch waren sie ringsum von Kiefern umgeben, die sich auch vom steilsten Hang nicht von ihrer aufrechten Haltung abbringen ließen. Sie stapften voran. Der Ton des Baches schwoll an, erhob sich zu einem Plätschern ganz in der Nähe, dann ließen sie ihn hinter sich zurück. Die Schneise mußte etwa eine halbe Meile hinter ihnen liegen. »Fiedler«,

Weitere Kostenlose Bücher