Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
aus, wache ich mit einem Ruck auf. Mein Nachthemd klebt feucht an meinem Körper. Mein Atem geht flach. Ich lege meine Hände steif neben mich und li e ge lange Zeit unbeweglich, bis ich endlich in einen trau m losen Schlaf sinke.
29. Kapitel
D r Bumble kommt Punkt elf Uhr, um Pippa seine Aufwa r tung zu machen. Mit seinem eleganten schwarzen Mantel, gestärktem Hemd und Krawatte, sauberen weißen Gam a schen zum Schutz seiner Schuhe und einer ste i fen Melone in der Hand ist er eine respektable E r scheinung. Wüsste ich es nicht besser, würde ich ihn für einen vernarrten Vater halten, der seine junge Tochter besucht und nicht seine z u künftige Ehefrau.
Mrs Nightwing hat für den Besuch einen kleinen Salon hergerichtet, wo sie nun mit ihrem Strickzeug als stumme Anstandsdame nadelklappernd in einer Ecke sitzt. Aber auch das haben wir bedacht. Felicity wird von einem plöt z lichen Anfall von Magenschmerzen heimgesucht. Sie wi n det sich oben auf ihrem Bett in Krämpfen. Es besteht der Verdacht auf Blinddarmentzündung und Mrs Nightwing bleibt nichts anderes übrig, als sofort zu ihr hinaufzueilen. Weshalb ich vorübergehend als Anstandsdame fu n gieren muss. Und so sitze ich mit einem Buch still auf meinem Posten, als die rosafarbene Teetasse in Pippas Hand zu zi t tern beginnt.
Mr Bumble beobachtet sie, als taxiere er ein Stück Land, das er zu kaufen gedenkt. » Ich darf annehmen, der Ring ent s pricht Ihren Vorstellungen?« Es ist keine Frage, so n dern ein Haschen nach Komplimenten für seinen G e schmack.
»O ja«, sagt Pippa zerstreut.
»Und Ihre Familie? Ist sie wohlauf?«
»Ja, danke.«
Ich huste und werfe Pippa einen drängenden Blick zu. Los, komm schon –mach weiter. Mein Husten veranlasst Mr Bumble , mir ein schwaches Lächeln zu schenken. Ich huste wieder und versenke mich in mein Buch.
»Ich hoffe, es geht Ihnen gut?«, ringt er sich ab.
»O ja«, sagt Pippa. »Na ja, nicht wirklich.«
Sehr gut. Nur weiter so.
Seine Teetasse verharrt auf halbem Weg zu se i nem Mund. »Ach nein? Nichts Ernstes, wie ich ho f fe, meine Liebe.«
Pippa hält sich wie von einer plötzlichen Regung übe r wältigt ihr Taschentuch an den Mund. Ich könnte schw ö ren, sie hat echte Tränen hervorgebracht. Sie ist großartig und ich muss zugeben, dass ich ziemlich beeindruckt bin.
»Was ist, meine Liebe? Sie müssen sich mir, ihrem Ve r lobten, anvertrauen.«
»Wie kann ich das, nachdem ich die ganze Zeit versucht habe, Sie zu täuschen! «
Er zieht sich ein wenig zurück, seine Stimme nimmt plötzlich einen kühlen Ton an. »Fahren Sie fort. In welcher Weise haben Sie mich getäuscht?«
»In Bezug auf mein Gebrechen. Ich habe nämlich schreckliche Anfälle, müssen Sie wissen, die jederzeit au f treten können.«
Mr Bumble wird stocksteif. »Seit … seit wann h a ben Sie dieses … Gebrechen?« Das Wort kommt ihm kaum über die Lippen.
»Seit meiner Geburt, leider. Meine armen Eltern haben schrecklich viel durchgemacht. Doch da Sie ein so ehre n hafter Mann sind, verbietet mir mein Gewissen, diese Tä u schung noch länger aufrechtz u erhalten.«
Bravo. Dem britischen Theater geht in Pippa eine b e gnadete Schauspielerin verloren. Sie wirft mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Ich lächle ane r kennend.
Mr Bumble sieht genau aus wie ein Mann, der ein Stück edlen Porzellans gekauft hat und zu Hause feststellen muss, dass es einen Sprung hat. »Ich bin ein Ehrenmann. Ein Mann, der zu seinen Verpflic h tungen steht. Ich werde sogleich mit Ihren Eltern sprechen.«
Pippa ergreift seine Hand. »O nein. Bitte ! Sie würden mir nie verzeihen, dass ich Ihnen die Wah r heit gesagt habe. Bitte verstehen Sie, dass ich nur Ihr Wohl im Auge habe.«
Sie versenkt ihre großen, flehenden Augen in seine. Ihr bezwingender Charme hat den gewünschten Effekt.
»Es ist Ihnen wohl klar, dass, wenn ich diese Ve r lobung löse, Ihr Ruf –ja, Ihre Tugend –infrage g e stellt wird.«
Ja, klar. Keine Chance, wenn die gute alte Tugend fra g würdig scheint. Gott behüte.
»O doch, ja«, sagt Pippa mit niedergeschlagenen Augen. »Aus ebendiesem Grund denke ich, dass es am besten w ä re, ich würde Sie abweisen.« Sie streift den Ring vom Fi n ger und lässt ihn in seine Hand fa l len. Ich erwarte, dass er sie bittet, e s sich noch einmal zu überlegen, dass er sie se i ner Liebe versichert, ungeachtet ihres Gebrechens. Aber er wirkt erleic h tert und schlägt einen herrischen Ton an. »Was soll ich also Ihren
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