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Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Titel: Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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’ s nicht widerrufen …«
    Pippa fängt wieder an, auf mich einzureden, aber Mrs Nightwing dreht sich um und wirft uns einen tadelnden Blick zu. Pippa steckt den Kopf in ihre B i bel und liest mit neuem Eifer weiter.
    »Und sie sprach zu ihrem Vater: Du wolltest mir das gewähren: Lass mir zwei Monate, dass ich hi n gehe auf die Berge und meine Jungfrauschaft bewe i ne …«
    Einige der jüngeren Mädchen kichern. Gefolgt von e i nem zischenden Chor von Schhhh-und Pssst-Lauten der Lehrerinnen – allen außer Miss Moore, die nicht anwesend ist. Sie ist in der Schule gebli e ben, um zu packen.
    »Er sprach: Geh hin … Da ging sie hin mit ihren G e spielen und beweinte ihre Jungfrauschaft auf den Bergen.«
    Reverend Waite schlägt die Bibel zu. »Also sprach der Herr. Lasset uns beten.«
    Ein Scharren und dumpfes Poltern pflanzt sich wie eine Welle fort, als wir uns niedersetzen und unsere Bibeln we i terreichen, bis alle Bücher ordentlich am Ende jeder Bank aufgestapelt sind. Ich gebe meine Bibel an Pippa weiter, die meine Hand festhält.
    »Nur noch eine letzte Nacht. Bevor ich für immer fort bin. Das ist alles, worum ich dich bitte.«
    Ich ziehe meine Hand weg und die Bibel fällt in ihren Schoß. Dann wende ich mich wieder dem E n gel zu. Ich starre ihn so lange und so intensiv an, dass er sich zu b e wegen scheint. Natürlich liegt es an der hereinbrechenden Dunkelheit, aber für einen Moment könnte ich schwören, dass ich die Flügel des Engels flattern sehe, dass seine Hände das Schwert fester packen und das Schwert blitza r tig in das Lamm fährt. Ich wende meine Augen ab und der Moment ist vorbei.
     

     
    Nach dem Abendessen folge ich den anderen nicht wie ü b lich in den Marmorsaal. Ich höre sie nach mir rufen. Doch ich gebe keine Antwort. Stattdessen si t ze ich allein im Empfangszimmer, mit dem aufgeschlagenen Französisc h buch im Schoß, und tue so, als würde ich mich auf Konj u gationen und Zeiten konzentrieren. Aber in Wahrheit warte ich auf ihre Schritte draußen im Flur. Mir ist noch nicht klar, was ich sagen werde, aber ich weiß, dass ich Miss Moore nicht gehen lassen kann ohne den Versuch einer E r klärung oder Entschuldigung.
    Nach einer Weile kommt sie an der offenen Tür vorbei. Sie trägt ein flottes Reisekostüm und einen breitkremp i gen Hut. Sie sieht aus, als würde sie in die Ferien ans Meer fa h ren –und nicht, als ließe sie Spence in einer Wolke aus Verlogenheit und Niedertracht hinter sich z u rück.
    Ich folge ihr zur Eingangstür.
    »Miss Moore?«
    Sie schließt die Knöpfe ihres Handschuhs und streckt die Finger. »Miss Doyle, was führt Sie hie r her? Versäumen Sie nicht kostbare Minuten gesel l schaftlichen Kontakts?«
    »Miss Moore«, sage ich mit erstickter Stimme. »Es tut mir so leid.«
    Sie lächelt matt. »Ja, das glaube ich Ihnen.«
    »Ich wünschte …« Das unterdrückte Weinen schnürt mir die Kehle zu.
    »Ich würde Ihnen gern mein Taschentuch geben, aber ich glaube, es ist schon in Ihrem Besitz.«
    »Oh, tut mir leid«, keuche ich. Jetzt erinnere ich mich, dass sie mir nach Pippas epileptischem Anfall ein Tasche n tuch geborgt hat. »Verzeihen Sie mir.«
    »Nur, wenn Sie sich selbst verzeihen.«
    Ich nicke. Von draußen wird an die Tür geklopft. Miss Moore wartet nicht auf Brigid. Sie öffnet die Tür weit, weist den Kutscher an, ihren Koffer zu nehmen, und be o bachtet, wie er ihn auf den Wagen lädt.
    »Miss Moore …«
    »Hester.«
    »Hester«, sage ich und empfinde es als einen besch ä menden Luxus, sie beim Vornamen zu nennen. »Wohin werden Sie jetzt gehen?«
    »Ich möchte ein bisschen reisen, denke ich. Dann miete ich mir irgendwo in London eine Wohnung und bewerbe mich als Hauslehrerin.«
    Der Kutscher ist bereit. Miss Moore nickt ihm zu. Dann wendet sie sich noch einmal an mich. Ihre Stimme schwankt, aber der Griff, mit dem sie meine Hände u m fasst, ist sicher.
    »Gemma … wenn Sie jemals etwas brauchen sol l ten …« Sie bricht ab, offenbar nach Worten suchend. »Was ich s a gen will, ist, Sie scheinen von einem a n deren Schlag zu sein als die meisten Mädchen hier. Ich denke, Ihre Zukunft wird sich vielleicht nicht in Tanztees und höflicher Ko n versation erschöpfen. Was für einen Weg Sie auch ei n schlagen werden, ich hoffe, dass ich an Ihrem Schicksal weiter Anteil nehmen kann und dass Sie sich nicht scheuen we r den, mich zu besuchen.«
    Mir läuft eine Gänsehaut über die Arme. Ich bin Miss Moore so unendlich dankbar. Ich

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