Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
garantiert den Mund halten wird. Und jetzt nichts wie zurück. Mutter sa g te, ich solle an den Ort de n ken, den ich hinter mir gelassen habe. Aber ich habe das noch nie ausprobiert und weiß nicht, ob ich es kann. Dann wären Sally und ich für immer in diesem nebligen Wald gefangen.
»Sie wissen doch, wie wir hier wieder rausko m men, oder nicht?«
»Natürlich weiß ich ’ s«, sage ich gereizt. Lieber Gott, bitte mach, dass es funktioniert. Mit Sallys Hand in meiner konzentriere ich mich auf den Vortragssaal. Nichts g e schieht. Ich mache ein Auge auf und sehe, dass wir immer noch im Wald sind, Sally neben mir in totaler Panik.
»Heilige Muttergottes ! Sie können ’ s nicht, stimmt ’ s? Süßer Jesus, rette mich!«
»Würden Sie bitte still sein?«
Sie fängt wieder an, alte Kirchenlieder zu singen. Schweißperlen bedecken meine Oberlippe. Ich konzentri e re und denke an nichts anderes als an den Vortragssaal. Mein Atem wird lauter und der Rhythmus langsamer. Ein ziehendes Gefühl stellt sich ein. Die Ränder des Waldes zerfließen im Nebel; der Nebel verdichtet sich zu einem großen Tor aus Licht und dann sind wir wieder zurück auf der Bühne des Vortragssaals. Es hat funktioniert! Das T i cken der T a schenuhr klingt tröstlich in meinen Ohren, es ist 19.49 Uhr. Unser ganzer Ausflug in die Geisterwelt hat nur eine Minute gedauert, obwohl das Gesicht von Sally Carny in der kurzen Zeit u m zehn Jahre gealtert zu sein scheint. Auch ich habe mich verä n dert.
»Madame Romanoff« ist zurück und sagt mit zi t ternder Stimme: »Ich erhalte soeben eine Nachricht aus einem a n deren Teil des Geisterreichs, für jema n den namens Polly. Reggie will, dass sie weiß, dass er sie von ganzem Herzen liebt …« Sie stockt.
»Schal«, souffliere ich ihr zwischen zusammengebiss e nen Zähnen.
»Dass er den Schal von Weihnachten hat und dass sie ohne ihn glücklich werden soll. Das ist alles.« Mit einem lauten Stöhnen lässt sie sich in ihren Stuhl sinken. Seku n den später »erwacht« sie.
»Die Geister haben gesprochen und jetzt muss ich me i nen übersinnlichen Fähigkeiten eine Erholungspause gö n nen. Ich danke Ihnen allen, dass Sie heute Abend geko m men sind, und möchte Sie daran eri n nern, dass ich nächsten Monat in Covent Garden wieder Verbindung mit dem Je n seits aufnehmen werde.« Unter dem Beifall des Publikums springt Sally »Madame Romanoff« von ihrem Stuhl und verschwindet hinter den Kulissen, wo ihre verwirrten L a kaien auf eine Erklärung für die heutige Abwe i chung vom Programm warten.
»Ich wusste, du hast irgendetwas vor!«, flüstert Cec i ly, mich am Arm packend. »War es sensati o nell?«
Elizabeth kommt dazu. »Hast du gesehen, wie die Gei s ter i n Madame Romanoffs Körper eintraten? Wurde ihre Hand eiskalt? Ich habe gehört, dass das vorkommt.«
Plötzlich bin ich das beliebteste Mädchen der Schule.
»Nein. Ich habe keine Geister gesehen. Ihre Hände w a ren warm und viel zu feucht. Und ich bin sicher, ihre Ringe waren unecht«, sage ich und gehe schneller, um so viel A b stand wie möglich zwischen M a demoiselle LeFarge und mich zu legen.
Elizabeth verzieht enttäuscht den Mund. »Und was soll ich meiner Mutter jetzt über dieses einmalige Ereignis schreiben?«
»Schreib ihr, sie soll aufhören, für solchen Unsinn Geld auszugeben.«
»Gemma Doyle, du bist ein absolutes Ekel«, knurrt C e cily.
»Ja«, sage ich, und damit ist meine minutenlange R e gentschaft als Königin von Spence beendet.
»Der reinste Schwindel«, sagt Felicity, als ich mich der Menge anschließe, die aus dem Vortragssaal hi n ausdrängt. »Sie hat das wirklich geglaubt, dass Sarah der Name deiner Mutter ist. Und statt der wirklichen Sarah Rees-Toome wurde uns dann irgendein liebeskranker Reggie aufg e tischt, der nach seiner Polly schreit.«
»Was ist eigentlich in Mademoiselle LeFarge g e fahren? Sie macht ein Gesicht, als hätte sie einen Geist gesehen«, flüstert Pippa.
»Wahrscheinlich ist sie sauer auf uns«, sagt Ann ve r stört.
»Bestimmt wird sie Mrs Nightwing erzählen, was wir getan haben, und wir werden nicht am Tanztee nächsten Monat teilnehmen dürfen.«
Da wird sogar Felicity blass und ich für meinen Teil bin sicher, im Kerker oder sonst wo zu landen. Mademoiselle ist etliche Schritte hinter uns zurüc k geblieben. Sie macht gar keinen so grimmigen Ei n druck. Stattdessen betupft sie ihre Augen mit einem Taschentuch und lächelt Inspektor Kent an, der
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