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Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Titel: Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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haltend. Seine sanften, jungenhaften Gesichtszüge kommen mir b e kannt vor. Abgesehen von seiner unirdischen Blässe könnte er der Nac h barsjunge von gegenüber sein.
    »Verzeihung, aber Sie kennen doch meine Polly?«
    »Polly?«, wiederhole ich. Da ich mit einem Geist spr e che, wird man mir meine Unhöflichkeit nachs e hen. Ich bin sicher, dass ich ihn schon einmal ges e hen habe.
    »Miss Polly LeFarge – ich habe Sie bestimmt dort bei ihr gesehen, nicht wahr?«
    Ein Mann in Uniform. Ein verträumtes Lächeln. Eine verblassende Fotografie auf einem Schreibtisch. Reginald, Mademoiselle LeFarges geliebter Verlobter, ist tot und b e graben, nichts als eine Erinnerung, von der sie nicht lassen kann.
    »Meinen Sie Mademoiselle LeFarge, meine Lehr e rin?«, frage ich ruhig.
    »Ja, Miss. Meine Polly hat oft davon geredet, Lehrerin zu werden, aber ich hab ihr versprochen, ich werd in der Armee ein gutes Stück Geld verdienen und dann komme ich nach Hause und sorge richtig für sie, mit einer Hochzeit in der Kirche und einem Häuschen in Dover. Polly liebt das Meer über alles.«
    »Aber Sie sind nicht nach Hause gekommen«, s a ge ich. Es ist mehr eine Frage als eine Feststellung, als hoffte ich noch immer, er würde eines Tages in ihr Klassenzimmer spazieren.
    »Grippe«, sagt Reginald. Er schaut auf seinen Hut hi n unter, dreht ihn in den Händen wie ein Glücksrad auf dem Jahrmarkt. »Würden Sie Polly eine Bo t schaft von mir überbrin g en, Miss? Könnten Sie ihr sagen, dass Reggie sie immer lieben wird, und ich hab noch immer den Schal, den sie mir zu Weihnac h ten gestrickt hat, bevor ich abgereist bin. Er hat sich gut gehalten, wirklich.« Er lächelt mich an, ein gutes, ein ehrliches Lächeln. »Würden Sie das für mich tun, Miss?«
    »Ja«, flüstere ich.
    »Haben Sie Dank für Ihre Hilfe. Nun kann ich leichten Herzens hinübergehen. Aber ich denke, Sie sollten sich jetzt wieder auf den Weg machen. Man wird nach Ihnen suchen, wenn Sie noch länger hierbleiben.« Er setzt seinen Hut auf und marschiert davon, bis er vom Nebel ve r schluckt wird.
     

     
    Als ich zu Madame Romanoff, alias Sally Carny, zurüc k komme, singt sie mit zitternder Stimme alte Ki r chenlieder. Die Toten sind verschwunden, aber sie klammert sich noch immer an den Ast, als gelte es ihr Leben. Kaum sieht sie mich, springt sie mir fast in die Arme. »Bitte, bringen Sie mich zurück ! «
    »Warum sollte ich Sie zurückbringen, angesichts der Schamlosigkeit, mit der Sie Menschen beha n deln, die um ihre Liebsten trauern?«
    »Ich wollte niemand nicht schaden, Miss. Ich schwör ’ s ! Sie können einem Mädchen nicht vorwe r fen, dass es von was leben muss, Miss.«
    Nein, das kann ich nicht. Würde sie sich nicht auf diese Weise über Wasser halten, säße sie auf der Straße und müsste sich ihren Lebensunterhalt auf noch viel zweife l haftere, trost l osere Art verdienen. »Na schön. Ich werde Sie zurückbringen. Aber nur unter zwei Bedingungen.«
    »Alles was Sie wollen. Sagen Sie ’ s.«
    »Erstens sollen Sie niemals, unter gar keinen U m ständen –auch nicht im Zustand vollständiger Trunkenheit –einer ei n zigen Menschenseele sagen, was heute Abend hier gesch e hen ist. Denn wenn Sie das tun …« Ich lasse den Satz in der Luft hängen, weil mir keine passende Drohung ei n fällt, aber das spielt keine Rolle. Sally legt ihre Hand aufs Herz.
    »Gott ist mein Zeuge. Kein Sterbenswort!«
    »Ich verlasse mich darauf. Und nun zur zweiten Bedi n gung …« In Gedanken sehe ich das liebe Gesicht von M a demoiselle LeFarge vor mir. »Sie we r den jemandem im Publikum eine Botschaft aus der Geisterwelt übermitteln, einer Frau namens Polly. Sie sollen ihr sagen, dass Reggie seine Polly sehr liebt und dass er noch immer den Schal hat, den sie ihm zu Weihnachten gestrickt hat.« Das Näch s te f ü ge ich auf eigene Faust hinzu. »Und dass das Leben weitergeht und er ihr wünscht, dass sie glücklich wird. Merken Sie sich das?«
    Die Hand wandert wieder zum Herzen. »Jedes Wort.« Sally legt einen Arm um meine Schultern. »Aber Miss … wie wär ’ s, wenn Sie sich mir und meinen Jungs anschli e ßen? Sie mit Ihrer Begabung und ich mit meinen Bezi e hungen, wir könnten ein Ve r mögen machen. Überlegen Sie sich ’ s. Mehr will ich nicht sagen.«
    »Gut. Dann bleiben Sie hier.«
    »Vergessen Sie alles, was ich gesagt habe!«, kreischt Sally und i ch bin mir ziemlich sicher, dass ich ihr einen solchen Schrecken eingejagt habe, dass sie

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