Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
murmelt er.
Ich kann nur ein wenig Hindi , gerade genug , um sin n gemäß zu verstehen , was er gesagt hat: Schon gut , m eine Freundin.
»Ich habe noch nie ein so tapferes Mädchen gesehen« , sagt er.
Er lässt mich eine Weile gegen die Kutsche gelehnt weinen , bis meine Tränen versiegen und mein Körper sich anfühlt wie immer , wenn ich mich ordentlich au s geweint habe –ruhig und rein. Jenseits der Themse schlägt das Uhrwerk des Big Ben in tiefen Tönen zwei Uhr.
Kartik hilft mir in den Sitz neben meinen schlafenden V a ter.
»Fröhliche Weihnachten , Miss Doyle.«
* **
Als wir zu Hause ankommen , sind die Lampen angezü n det , ein verhängnisvolles Zeichen. Tom wartet im Woh n zimmer. Es besteht keine Möglichkeit , die Sache zu ve r heimlichen.
»Gemma , wo bist du zu so einer Zeit gewesen? Warum hast du meine Kleider an? Und was hast du mit meiner besten H o se angestellt?«
Kartik kommt herein , mit Vater , den er mehr schleppt als stützt.
»Vater!« , sagt Tom , dessen halb bekleideten , vom Droge n rausch betäubten Zustand erfassend. »Was ist gesch e hen?«
Meine Worte stürzen in einem Schwall des Entsetzens aus mir heraus. »Wir haben ihn in einer Opiumhöhle gefunden. Er war dort seit zwei Tagen. Kartik wollte dich holen , aber ich wollte dir einen Skandal im Klub ersparen und so bin ich … ich … ich …«
Mrs Jones erscheint , angelockt durch den Tumult und noch mit ihrer Nachthaube auf dem Kopf.
»Ist irgendetwas passiert , Sir?« , fragt sie.
»Mr Doyle ist erkrankt« , sagt Tom.
Mrs Jones ’ Augen verraten , dass sie die Lüge durc h schaut , a ber sie macht sich sofort nützlich. »Ich bringe gleich Tee , Sir. Soll ich nach dem Doktor schicken?«
»Nein! Nur den Tee , danke« , sagt Tom schroff. Er sieht Kartik fest an. »Ich komme jetzt allein zurecht.«
»Ja , Sir« , sagt Kartik. Einen Moment lang weiß ich nicht , ob ich zu meinem Bruder oder zu Kartik stehen soll. Schlie ß lich helfe ich Tom und Mrs Jones , Vater zu Bett zu bringen. Ich ziehe Toms Kleider aus , schrubbe den Dreck Ost-Londons von mir und schlüpfe in mein Nachthemd. Ich finde Tom im Wohnzimmer , wo er vor dem Kamin sitzt und ins Feuer starrt. Mechanisch nimmt er einen Zweig nach dem anderen und füttert damit die zornigen Flammen.
»Es tut mir leid , Tom. Ich wusste nicht , was ich sonst hätte tun sollen« , sage ich. Ich erwarte , dass er mir vo r hält , welche Schande ich der Familie bereitet habe , und dass ich dieses Haus nie wieder verlassen solle.
Der nächste Zweig entflammt. Er schreit im Feuer auf und verzischt zu Asche. Ich suche nach Worten und fi n de keine.
»Ich kann ihn nicht kurieren« , sagt Tom so leise , dass ich mich anstrengen muss , ihn zu hören. »Ein Medizi n student dient der Wissenschaft. Es wird von ihm erwa r tet , Antworten zu haben. Ich kann nicht einmal meinem eigenen Vater he l fen , seine Dämonen zu besiegen.«
Ich lehne meinen Kopf gegen den Türrahmen. Dessen Holz ist etwas Solides , das mich hält , falls ich jetzt gleich von di e ser Erde hinunterrutsche und immer weiterfalle. »Eines Tages wirst du vielleicht einen Weg finden.« Ich möchte Tom au f muntern. Aber es gelingt mir nicht.
»Nein. Mit der Wissenschaft habe ich abgeschlossen.« Sein Kopf sinkt in seine Hände. Ein erstickter Laut dringt hervor. Er versucht , das Weinen zu unterdrücken , aber er ist hilflos dagegen. Ich möchte zu ihm laufen und ihn festhalten , auch auf die Gefahr hin , zurückgestoßen zu werden. Stattdessen drücke ich leise die Klinke und gehe , sodass er sein Gesicht wahren kann. Und hasse mich d a für.
36. Kapitel
D er Klang ferner Kirchenglocken weckt mich. Es ist Wei h nachtsmorgen. Das Haus ist still wie ein Le i chenhaus. Vater und Tom schlafen noch nach uns e rer langen Nacht und Großmama hat ebenfalls b e schlossen , im Bett zu bleiben. Nur die Dienstboten und ich sind wach.
Ich ziehe mich rasch und leise an und mache mich auf den Weg zum Wagenschuppen. Kartik sieht auf eine charmante Art verschlafen aus.
»Ich möchte mich für gestern Nacht entschuldigen. Und mich bei Ihnen bedanken , dass Sie ihm geholfen haben« , sage ich.
»Jeder braucht bisweilen Hilfe« , sagt er.
»Außer Ihnen.«
Statt einer Antwort überreicht er mir ein notdürftig in einen Streifen Stoff eingewickeltes Ding. »Fröhliche Weihnachten , Miss Doyle.«
Ich bin erstaunt. »Was ist das?«
»Machen Sie es auf.«
Ich schlage den Stoff auseinander und darin ist ein
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