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Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

Titel: Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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einer Opiumhöhle elend zugrunde gehen« , sage ich. »Fahren Sie die Kutsche vor.«
     
    * **
     
    Es hat leicht zu schneien begonnen. Der Schnee bedeckt al l mählich Gingers Mähne mit einer grauen Puderschicht , wä h rend wir uns langsam den Elendsvierteln Ost-Londons nähern. Die Nacht ist kalt und windstill. Jeder Atemzug tut weh. E n ge , schmutzige Gassen wi n den sich zwischen baufälligen Häusern entlang , die gebeugt dastehen wie Bettler. Verkrü p pelte Schornsteine ragen von rußgeschwärzten Dächern hoch , krumme M e tallarme bitten den Himmel um Almosen , um Trost , um einen Hoffnungsschimmer , dass dieses Leben nicht alles sein möge , was sie hier auf Erden zu erwarten haben.
    »Ziehen Sie Ihren Hut tief in die Stirn« , ermahnt mich Ka r tik. Selbst zu dieser nächtlichen Stunde und bei di e ser Kälte w immelt es in den Straßen von Menschen , betrunkenen , gr ö lenden , fluchenden. Drei Männer in der offenen Tür einer Kneipe sparen nicht mit Bemerkungen über meine feinen Kleider , über Kartik neben mir.
    »Sehen Sie sie nicht an« , sagt Kartik. »Lassen Sie sich mit niemandem ein.«
    Eine Gruppe von Straßenkindern schart sich um uns , um zu betteln. Der eine hat zu Hause eine kranke kleine Schwester. Ein anderer bietet mir an , für einen Shilling meine Stiefel zu putzen. Ein Dritter , ein Junge von nicht mehr als elf oder zwölf Jahren , weiß , wo wir hinfahren können , um ungestört zu sein , dort würde er »nett« zu mir sein , solange ich möchte. Er sagt es , ohne zu lächeln und ohne ein Gefühl erkennen zu lassen. Es ist eine sac h liche Feststellung , ein Angebot wie das , meine Stiefel zu pu t zen.
    Kartik holt sechs Münzen aus der Tasche. Sie glänzen auf seinem schwarzen Wollhandschuh. Die Augen der Jungen weiten sich in der Dunkelheit.
    »Drei Shilling für die , die auf Pferd und Wagen aufpa s sen.«
    Sofort hängen sich drei Jungen an ihn. Sie versprechen hoch und heilig , jedem , der es wagen sollte , sich an die Ku t sche von einem so feinen Herrn heranzumachen , die Zähne einzuschlagen , mindestens.
    »Und drei für den , der uns ohne unliebsamen Zw i schenfall zum Chin-Chin begleitet« , erklärt Kartik.
    Keiner meldet sich. Ein von Schmutz starrender Junge in zerfetzten Kleidern und durchlöcherten Schuhen drängt sich n ach vorne und schnappt sich die letzte Münze. »Ich kenn das Chin-Chin« , sagt er. Die anderen Jungen schauen ihn voll Neid und Verachtung an.
    »Da lang , die Herrschaften« , sagt er und führt uns durch ein Labyrinth von Gassen , in denen die Feuchti g keit von den nahen Docks hängt. Fette Ratten rennen kreuz und quer über die Pflastersteine und stecken ihre Nasen in alles , was sie im Rinnstein finden. Es ist immer noch Heiligabend und die Kneipen und Straßen sind voller Menschen , manche so b e trunken , dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten kö n nen.
    »Hier rein« , sagt der Junge. Wir stehen vor einer sch ä bigen Bruchbude. Der Junge schiebt uns durch die alter s schwache Tür und begleitet uns eine steile , dunkle Tre p pe hinauf. Es riecht nach Urin und modriger Feuchti g keit. Ich stolpere über etwas und merke , dass es ein Mensch ist.
    »Is ’ nur der alte Jim« , sagt der Junge unbekümmert. »Der liegt immer da.«
    Im zweiten Stock stehen wir wieder vor einer Tür.
    »Hier isses , das Chin-Chin. Spendier ’ n Sie mir für die M ü he noch ’ n Gin , Kumpel?« , sagt der Junge und streckt mir seine Hand hin.
    Ich drücke ihm zwei weitere Shilling in die Hand. »Fröhl i che Weihnachten , Kumpel.« Er verschwindet und ich klopfe an die schmutzverkrustete Tür. Sie öffnet sich knarrend und vor uns steht ein alter Chinese. Die dun k len Schatten unter seinen eingefallenen Augen lassen eher an eine Geistere r scheinung denken als an einen Menschen aus Fleisch un d B lut. Doch dann lächelt er und zeigt eine Handvoll Zähne , braun gesprenkelt wie fauliges Obst. Er fordert uns auf , ihm in den niedrigen , beengten Raum zu folgen. Wohin ich schaue , liegen Menschen wie lebende Leichname herum. Ihre Lider flattern. Einige brabbeln unverständlich vor sich hin , u n terbrochen von langen Pausen und hin und wieder einem schwachen Lachen , dessen Leere die Seele e r schauern lässt. Ein Matrose , dessen Haut so schwarz wie Tinte ist , schläft mit auf die Brust gesunkenem Kopf in einer Ecke. Neben ihm lehnt ein Mann , der aussieht , als würde er nie wieder aufw a chen.
    Die Opiumdämpfe lassen meine Augen tränen und

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