Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
schickte aus und ließ alle Kn a ben zu Bethlehem töten und in der ganzen Gegend , die da zweijährig und darunter waren …«
Warum gibt es kein Glasfenster , auf dem Frauen zu sehen sind , die sagen: Nein , t ut mir leid , i ch will dieses Geschenk nicht. Du kannst es zurückhaben. Ich habe Schafe zu hüten und Brot zu backen und ich habe kein Verlangen danach , e ine Heilsbringerin zu sein.
Ein solches Fenster möchte ich gerne sehen.
Ein Lichtstrahl durchbricht das Glas und für einen Moment scheint der Engel aufzuflammen wie die Sonne.
* **
Ich darf den Nachmittag bei Felicity und Ann verbringen , da Großmama und Tom sich um Vater kümmern. Mrs Worthin g ton ist damit beschäftigt , Klein-Polly herausz u putzen , was Felicity in eine miserable Laune versetzt , die zu meiner eig e nen passt. Nur Ann genießt den Tag. Es sind , solange sie sich erinnern kann , ihre ersten Wei h nachten in einem richtigen Zuhause und mit einem Bal l besuch. Ann freut sich wie ein Kind und löchert uns mit Fragen.
»Soll ich Blumen und Perlen im Haar tragen? Oder ist das zu protzig?«
»Zu protzig« , erwidert Felicity. »Ich begreife nicht , w a rum wir sie zu uns nehmen mussten. Es gibt genug Ve r wandte , die passender sind , finde ich.«
Ich sitze an Felicitys Frisiertisch , ziehe eine Bürste durch mein Haar und zähle die Bürstenstriche. Bei jedem Strich s ehe ich Kartiks Augen vor mir , seinen verletzten Blick. »Vierun d sechzig , fünfundsechzig , Sechsundsechzig …«
»Sie schwänzeln um sie herum und machen ein Getue um sie , als wäre sie eine Prinzessin , die zu Besuch ist« , murrt Felicity.
»Sie ist ein sehr hübsches Mädchen« , sagt Ann , obwohl sie mit ihren Gedanken ganz woanders ist. »Ich überlege , ob ich Parfum nehmen soll. Gemma , findet Tom Mä d chen , die einen Duft tragen , zu aufdringlich?«
»Er bevorzugt Stallgeruch« , murmelt Felicity. »Du kannst dich im Stroh wälzen , um seinen Lieblingsduft zu verstr ö men.«
»Du hast vielleicht eine Laune« , brummt Ann.
Ich hätte nicht mit ihm tanzen sollen. Ich hätte nicht zula s sen dürfen , dass er mich küsst. Und dann habe ich ihn bele i digt.
»Ach , es ist alles so mühsam« , seufzt Felicity und geht zu ihrem Bett , das von Strümpfen , Seidenkleidern und Unterr ö cken überquillt. Es scheint , als sei der gesamte Inhalt von Felicitys Schränken zur allgemeinen Besichtigung ausgebre i tet. Und trotzdem findet sie offenbar nichts Passendes.
»Ich gehe nicht« , platzt Felicity heraus. Sie hat sich in i h rem Morgenrock aufs Sofa geworfen , mit mürrischem G e sicht , die Wollstrümpfe nachlässig heruntergerutscht. Von Anstand keine Spur.
»Es ist der Ball deiner Mutter« , sage ich. »Du musst g e hen. Siebenundsechzig , achtundsechzig …«
»Ich habe nichts anzuziehen!«
Ich zeige mit einer ausladenden Geste auf das Bett und fa h re mit dem Zählen fort.
»Willst du nicht eins von den Kleidern anziehen , die deine Mutter für dich in Paris hat machen lassen?« , fragt Ann. Sie hält eines der Kleider an ihren Körper und dre h te sich damit hin und her. Dann macht sie vor einer unsichtbaren Beglei t person einen leichten Knicks.
»Sie sind so bourgeois « , schnaubt Felicity.
Ann streicht mit ihren Fingern über die aquamari n blaue Seide , die Perlenstickerei entlang dem dezenten Ausschnitt. »Ich finde , dieses hier ist wunderschön.«
»Dann zieh es an.«
Anns Finger zucken zurück , als hätte sie sich ve r brannt. »Ich würde nie und nimmer hineinpassen.«
Felicity lächelt spöttisch. »Du könntest es , wenn du auf diese süßen Brötchen zum Frühstück verzichten wü r dest.«
»D-d-das würde nichts ändern. Es wäre nur eine Beleid i gung für das Kleid.«
Felicity stößt einen Seufzer aus , der in ein wütendes Knu r ren übergeht. »Warum tust du das?«
»Was denn?« , fragt Ann.
»Dich bei jeder Gelegenheit herabsetzen.«
»Ich habe die Dinge nur beim Namen genannt.«
»Nein , das hast du nicht getan. Stimmt ’ s , Gemma?«
»Siebenundachtzig , achtundachtzig , neunundachtzig …« , antworte ich laut.
»Ann , wenn du andauernd sagst , wie unwürdig du bist , werden es die Leute schließlich glauben.«
Ann zuckt die Schultern und legt das Kleid auf den Haufen zurück. »Sie glauben , was sie sehen.«
»Dann ändere das , was sie sehen.«
»Wie?«
»Zieh das Kleid an. Wir könnten es an den Seitennähten auslassen.«
»Einhundert.« Ich drehe mich ihnen zu. »Ja , aber dann
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