Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
tränen , meine Nase läuft. Ich kann diese schrecklichen Visionen nicht ertragen. Und ich verstehe sie nicht. Traue wem nicht? Warum sollte ich ihr nicht trauen?
Aber irgendetwas an dieser Vision war anders , eine Einze l heit , an die ich mich jetzt erinnere. Es hatte mit der Hand der Frau zu tun. Sie trug einen ungewöhnl i chen Ring. Es dauert eine Weile , bis ich , da auf dem B o den hockend , meiner Sinne wieder mächtig bin. Und dann glaube ich zu wissen , was es war.
Der Ring an der Hand der Frau hatte die Form zweier i n einander verschlungener Schlangen.
Ich habe diesen Ring schon einmal gesehen –in dem Ko f fer unter Miss McChennmines Bett.
20. Kapitel
G emma , hör auf , mit deinem Haar zu spielen« , tadelt Gro ß mama von ihrem Sitz neben mir in der Kutsche.
»Oh« , sage ich. Ich hatte gar nicht gemerkt , dass ich eine kleine Strähne meines Haars in einem fort um meinen Finger gewickelt habe. Den ganzen Tag über habe ich an nichts and e res als an die Vision der vergangenen Nacht g e dacht. An die Frau , die einen Schlange n ring am Finger trägt. Miss McChennmine besitzt einen Schlangenring. Aber was für ein Zusammenhang könnte zwischen ihr und jener Frau im gr ü nen Mantel oder den Mädchen bestehen? Die Visionen erg e ben keinen Sinn. Wer sind diese Mädchen und warum bra u chen sie meine Hilfe? Was versuchen sie , mir zu zeigen?
Ich muss diese Fragen jetzt beiseiteschieben. Wir sind zu einer Gesellschaft geladen und der Gedanke , der furchtbaren Lady Denby gegenüberzutreten , übersteigt alle Visionen , die ich heraufbeschwören könnte.
Als wir ankommen , zähle ich drei weitere Kutschen vor Simons Haus. Das herrliche Backsteingebäude e r strahlt in hellem Lichterglanz. Jenseits der Straße liegt der Hyde Park , ein dunkler , verschwommener Fleck im Dunst der Gaslate r nen , d ie uns in ein sanftes Licht hüllen und unwirklich e r scheinen lassen , wie vom Himmel h e rabgestiegene Wesen. Kartik nimmt meine Hand und hilft mir von der Kutsche he r unter. Ich trete auf den Saum meines Kleides und stolpere gegen ihn. Er u m schlingt meine Taille und fängt mich auf und für eine Sekunde liege ich in seinen Armen.
»Vorsicht , Miss Doyle« , sagt er und stellt mich auf die F ü ße.
»Ja , danke , Mr Kartik.«
»Der alte Potts hätte garantiert keinen so guten Fang g e macht« , sagt Vater scherzhaft zu Tom. Ich drehe den Kopf und sehe , wie Kartik mich in meinem blauen Kleid und dem Samtumhang anschaut , als sei ich eine vol l kommen fremde Person für ihn.
Vater nimmt meinen Arm und geleitet mich zur Tür. Sa u ber rasiert , mit weißer Krawatte und weißen Han d schuhen , ist er fast der Vater , den ich in Erinnerung h a be.
»Du siehst großartig aus , Papa« , sage ich.
Das alte Zwinkern ist wieder in seinen Augen. »Alles nur Blendwerk« , sagt er lächelnd. »Nur Blendwerk.«
Das ist meine Sorge. Wie lange wird die Wirkung der M a gie anhalten? Nein , darüber will ich mir jetzt keine Gedanken machen. Es hat funktioniert und er ist wieder mein über alles geliebter Vater. Und gleich werde ich mit einem gut auss e henden jungen Mann , der mich aus irgendeinem Grund int e ressant findet , zu Abend essen.
Wir werden von einer Phalanx livrierter Bediensteter em p fangen. Ihre Uniformen sitzen so stramm , dass schon das kleinste Fältchen ins Fleisch schneiden könnte. Es scheint für a lles und jedes einen dienstbaren Geist zu g e ben. Großmama ist vor Aufregung außer sich. Würde sie sich noch gerader recken , könnte ihre Wirbelsäule einen Knacks bekommen. Wir werden in einen großen Salon geführt. Simon steht am Kamin , in ein Gespräch mit zwei Herren vertieft. Als er mich sieht , grinst er von einem Ohr bis zum anderen. Ich schaue sofort weg. Mein Blick schweift in die Ferne , als habe ich soeben die Tapeten entdeckt und sei über alle Maßen davon fasziniert , o b wohl mein Herz in einem neuen Rhythmus schlägt: Er mag mich , e r mag mich , e r mag mich. Mir bleibt keine Zeit , um in Ohnmacht zu fallen. Lady Denby rauscht durch den Raum , begrüßt und stellt vor , und ihre steifen Röcke rascheln bei jedem Schritt. Sie heißt einen Herrn herzlich willkommen , ist aber ziemlich kühl zu seiner Frau.
Wenn Lady Denby dich mag , d ann hast du bei ihr einen Stein im Brett. Wenn ihr irgendetwas an dir nicht passt , d ann lässt sie dich links liegen.
Die Zunge klebt mir am Gaumen. Ich kann nicht schlucken. Lady Denby fasst mich mit einem Blick ins Auge , während sie
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