Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
Leben sei nur ein Traum , und die sich einbildet , nachts in ihrem Zimmer G e spenster zu sehen.«
»Die Ärmste« , sagt Großmama gewohnheitsmäßig.
Diese Geschichten stehlen mir mein Glück. Was würden meine Tischgenossen denken , wenn sie wüssten , dass ich Visionen habe und andere Welten besuche?
Tom fährt fort. »Oder Nell Hawkins , eine Neunzeh n jährige , bei der während eines Internatsaufenthalts akuter Wahnsinn diagnostiziert wurde.«
»Sehen Sie?« , sagt der schnurrbärtige Herr und wackelt mit dem Finger. »Die weibliche Konstitution hält den Härten e i ner höheren Bildung nicht stand. Daraus kann nichts Gutes erwachsen.«
»Aber , aber , Mr Conrad« , schimpft seine Frau scher z haft. »Bitte fahren Sie fort , Mr Doyle.«
»Nell Hawkins leidet unter Wahnvorstellungen« , sagt Tom mit einem selbstgefälligen Lächeln.
Vater schaltet sich ein. »Sie denkt , sie ist die Jungfrau von Orleans , stimmt ’ s?«
»Nein , das würde zu Mrs Jernigan in Abteilung M l B pa s sen. Miss Hawkins ist einmalig. Sie bildet sich ein , Mitglied irgendeines geheimen Zirkels von Zauberinnen oder Magi e rinnen zu sein , der sich der Orden des aufg e henden Mondes nennt.«
Der Raum zieht sich um mich zusammen. Mein Herz rast. Von fern höre ich mich selbst fragen: »Der Orden des aufg e henden Mondes?«
»Ja. Sie behauptet , die Geheimnisse eines Orts zu ke n nen , der das Magische Reich genannt wird , und dass eine Frau namens Circe alle Macht an sich reißen will. Das Mädchen behauptet , sie habe sich selbst in den Wah n sinn getrieben , indem sie versuchte , ihre Gedanken zu vernebeln und Circes Einfluss zu entziehen.« Tom schü t telt den Kopf. »Ein äußerst schwieriger Fall.«
»Ich stimme Ihnen zu , Mr Conrad. Ein Zuviel an höherer Bildung tut unseren Töchtern nicht gut. Und das ist dann der Preis. Ich bin so froh , dass Spence besonderen Wert auf die w eiblichen Tugenden legt.« Großmama schiebt sich einen großen Löffel Schokoladencreme in den Mund.
Ich muss mich eisern beherrschen , um nicht vom Tisch zu stürzen. Ich zittere am ganzen Leib. Irgendwo im Bethlehem-Hospital sitzt ein Mädchen , das mir vielleicht alles sagen könnte , was ich wissen will. Ich muss einen Weg finden , um zu ihr zu kommen.
»Was kann man in einem solchen Fall tun?« , fragt Mr Co n rad.
»Miss Hawkins schöpft einigen Trost aus Gedichten. Die Schwestern lesen ihr vor , wenn sie dazu Zeit finden.«
»Vielleicht könnte ich ihr Gedichte vorlesen?« , biete ich an und hoffe , dass man mir meine Aufregung nicht anmerkt. Ich würde alles tun , um dieses Mädchen zu sehen. »Ich meine , vielleicht würde es sie auf andere G e danken bringen , sich mit einem Mädchen ihres Alters zu unterhalten.«
Simons Vater hebt mir sein Weinglas entgegen. »Unsere Miss Doyle hat ein sehr gutes Herz.«
»Sie ist unser Engel« , sagt Vater.
Nein , das bin ich nicht. Ich bin ein Miststück , sie so zu hi n tergehen. Aber ich muss Nell Hawkins sehen.
»Also gut« , sagt Tom widerwillig. »Morgen Nachmittag bringe ich dich hin.«
21. Kapitel
A ls das Dessert abserviert ist , ziehen sich die Männer ins He r renzimmer zurück , um ihren Brandy und ihre Zigarren zu genießen , während es sich die Frauen bei Tee und Klatsch im Salon gemütlich m a chen.
»Mutter , ich glaube , Miss Doyle würde gerne das Por trät von Großvater sehen« , sagt Simon , der uns auf dem Weg in den Salon abfängt. Ich habe bisher nichts von diesem Porträt gehört.
»Ja , natürlich. Wir gehen alle zusammen« , sagt Lady De n by aufgeräumt.
Simons glattes Lächeln zuckt leicht. »Ich möchte euch auf keinen Fall vom Kamin wegholen , Mutter. In der Bibliothek zieht es ein wenig , wie du weißt.«
»Unsinn , wir nehmen unsere Umhängetücher , dann werden wir schon nicht erfrieren. Sie müssen wirklich unbedingt den guten George sehen –er wurde von einem sehr bekannten Porträtisten aus Cotswold gemalt.«
Ich weiß nicht , was da gerade abgelaufen ist , aber es scheint klar , dass Simon verloren hat.
»Hier entlang.« Lady Denby führt uns in ein geräumiges Zimmer , das von einem Gemälde mit den Ausmaßen eine r T ür beherrscht wird. Es ist ein grässlich überladenes Bildnis eines Mannes , der mit geschwellter Brust auf dem Rücken eines Pferdes sitzt. Er trägt ein rotes Jackett und stellt bis in die Zehenspitzen die vollkommene Verkörperung des Lan d edelmannes dar , der sich auf die Jagd b e gibt.
Simon nickt dem Porträt zu. »Miss
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