Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
schieben , wo es zwischen Unterröcken und Kleidersä u men verschwindet. Von meinem Fenster kann ich die Lichter unseres Wage n schuppens sehen. Ich sehe Emily mit ihrer Laterne in der Hand vom Stall zurückkommen. Das Licht fällt auf ihr Gesicht , als sie zurückschaut , um Kartik zuz u lächeln , der ihr winkt. Er schaut hoch und ich ducke mich , um nicht gesehen zu werden , und lösche schnell meine Lampe. Das Zimmer ist in Dunke l heit g e taucht.
Warum stört es mich so , dass Kartik ein Auge auf Emily geworfen hat? Was verbindet uns beide außer einer pflich t gemäßen Vereinbarung? Ich glaube , das ist es , was mich stört. Oh , ich sollte diese Abmachung mit Kartik vergessen. Sie ist Unfug.
Morgen ist ein neuer Tag , der 17. Dezember. Ich we r de mit Simon Middleton zu Abend essen. Ich werde mein Bestes tun , seine Mutter für mich einzunehmen und mich nicht zu b lami e ren. Danach werde ich mich auf die Suche nach dem Tempel machen. Aber einen Abend lang , einen herrlichen , sorglosen Abend lang will ich ein schönes Kleid tragen und die cha r mante Gesel l schaft Simon Middletons genießen.
»Guten Abend , Mr Middleton« , sage ich zur Luft. »Oh« , antworte ich und nehme eine tiefere Stimmlage an. »Guten Abend , Miss Doyle. Wie geht es Ihnen?« –»Ganz ausg e zeichnet , danke , Mr …«
Ein Schmerz durchfährt mich. Ich kann nicht atmen. Gott! Ich bekomme keine Luft! Nein , nein , bitte , lasst mich in R u he , bitte! Aber es nützt nichts. Ich werde wie im Sog einer Flutwelle in eine Vision hineingezogen. Ich will meine Augen nicht öffnen. Ich weiß , sie sind da. Ich kann sie spüren. Ich kann sie hören.
»Komm mit uns …«, flüstern sie.
Ich öffne ein Auge , dann das andere. Da sind sie , die drei geisterhaften Mädchen. Sie wirken so verloren , so traurig mit ihrer blassen Haut , den dunklen Schatten auf ihren eingefall e nen Wangen.
»Wir müssen dir etwas zeigen …«
Eine von ihnen legt ihre Hand auf meine Schulter. Meine Glieder werden steif und ich fühle , wie ich tiefer in die Vision eintauche. Ich bin am Meer. Vor mir erhebt sich eine Art Schloss , eine mächtige , verfallene Festung. Dunkelgrünes Moos bedeckt ihre Mauern. Helles Lachen dringt heraus und durch die großen Spitzbogenfenster sehe ich immer wieder etwas Weißes aufblitzen. Es sind Mädchen , die dort spielen. Nicht irgendwelche Mädchen –die Mädchen in den weiße n K leidern. Aber wie reizend sie aussehen , so frisch und lebe n dig und fröhlich!
»Wo bin ich?« , ruft eine von ihnen und mein Herz tut mir weh , denn dieses Spiel hat auch meine Mutter mit mir g e spielt , als ich ein Kind war. Die beiden anderen Mädchen springen hinter einer Wand hervor und e r schrecken sie. Sie lachen darüber. »Eleanor!« , rufen alle drei. »Wo bist du? Es ist so weit! Wir werden die mag i sche Kraft bekommen –sie hat es versprochen.«
Die Mädchen laufen bis an den Rand der Klippe , da r unter schäumt das Meer. Sie steigen über Felsen und h e ben sich wie zum Leben erwachte griechische Statuen vor dem Grau des Himmels ab. Sie lachen , so glücklich , so glücklich.
»Komm , trödle nicht!« , rufen sie dem vierten Mädchen fröhlich zu. Ich kann dieses Mädchen nicht deutlich s e hen. Aber ich sehe die Frau in dem dunkelgrünen Mantel mit r a schen Schritten herankommen , kann sehen , wie der Wind in ihre weiten Ärmel fährt. Die Frau nimmt die Hand des Mä d chens , das ihr langsam , zögernd folgt.
»Ist es wirklich so weit?« , rufen die anderen.
»Ja« , ruft die Frau im grünen Mantel zurück. Die Hand des Mädchens fest in ihrer haltend , schließt sie die Augen und hebt beide Hände dem Meer entgegen. Sie murmelt etwas. Nein –sie ruft etwas herbei! Entsetzen steigt wie Übelkeit in mir auf , würgt mich. Ein Wesen erhebt sich aus dem Meer und sie ruft es! Die Mädchen schreien in panischer Angst. Aber die Frau öffnet ihre Augen nicht. Sie hört nicht auf.
Warum zeigen sie mir das? Ich will fort! Muss fort von j e nem Ding , von ihrer Angst. Ich bin wieder in meinem Zi m mer. Die Mädchen schweben auf mich zu. Ihre spi t zen Stiefel scharren über den Fußboden –kratz , k ratz , k ratz. Es macht mich halb verrückt.
»Warum?« , keuche ich und versuche , den Brechreiz zu u n terdrücken. »Warum?«
»Sie lügt …« , flüstern sie. »Trau ihr nicht … trau ihr nicht … trau ihr nicht …«
»Wem?« , frage ich , aber sie sind fort. Der Druck lässt nach. Ich ringe nach Atem , meine Augen
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