Der Geheimnistraeger
»Und was Terroristen betrifft, sind sie an Massenmord interessiert, und der lässt sich mit einem Küchenmesser nicht bewerkstelligen. Du hast eine Theorie, Christian?«
»Ja, das kann man vielleicht sagen.« Christian lächelte seinen Chef an. »Ich habe nach Morden gesucht, die diesem ähneln. Hier handelt es sich um einen Mörder, der die Bombe seinem Opfer übergibt und dem es dann gelingt, dieses dazu zu bringen, sie auch noch freiwillig auszulösen. In diesem Punkt erinnert die Bombe an eine Briefbombe, aber bei dieser befindet sich der Täter auf Abstand und kann den Verlauf der Ereignisse nicht beeinflussen.«
Er machte eine kurze Pause. Jetzt würde die Pointe kommen.
»Ich habe keine genaue Entsprechung gefunden, aber es gibt drei Beispiele, die gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Zum einen der israelische Handymord von 1996.«
Paulsen nickte. Daran hatte er auch schon gedacht. Christian fuhr fort:
»Unseren Kollegen in Shin Bet gelang es vor zehn Jahren, einem Mann namens …«, Christian schaute auf seine Notizen, »… Yehiyeh Ayyash ein Mobiltelefon zu geben, in dem sich eine Sprengladung verbarg. Man könnte sagen, dass er seine eigene Arznei zu schmecken bekam, da er der führende Bombenexperte der Hamas in Gaza war. Die Folgen dieses Telefongesprächs könnt ihr euch vorstellen, und es blieb nicht bei Taubheit.«
Christian blätterte zur nächsten Seite seines Blocks weiter.
»Der zweite Mord im Jahre 2004 ist ebenfalls ein Werk der Israelis. Wieder war ein Hamasführer das Ziel. Er trug den imposanten Namen Izz el-Din Scheich Khalil. Er wurde in Damaskus umgebracht, und wieder wurde ein Handy verwendet. Khalil erhielt einen Anruf, der die Bombe auslöste, die sich in seinem Auto befand.«
Außerhalb der Grenzen Israels, dachte Vincent.
»Die Strahlung von Handys kann also durchaus gefährlich sein!«, bemerkte Christian.
»Beim dritten Beispiel handelt es sich um zwei Agenten der Taliban, die sich als Fernsehjournalisten ausgaben und Ahmed Shah Massoud, einen der wichtigsten Führer der Nordallianz in Afghanistan, in die Luft sprengten und zwar zwei Tage vor dem 11. September, falls ihr euch noch erinnert.«
Paulsen hoffte inständig, dass Christian jetzt nicht auch noch etwas über Revolverjournalismus erzählen würde, aber dieser fuhr in seinen Überlegungen fort:
»Die technische Seite jener Fälle erinnert deutlich an den Rådhuspladsen. Im ersten Fall gelang es den Israelis, den Gegner dazu zu bringen, seinen eigenen Kopf in die Luft zu sprengen. Auch im zweiten Fall löste das Mordopfer die Sprengladung selbst aus, noch dazu in einem anderen Land. Bei der Taliban-Geschichte verbarg sich die Bombe genau wie hier in einer Kamera.«
»Und sämtliche Morde wurden aus politischen Beweggründen verübt, die mit arabischem Terrorismus zusammenhingen«, sagte Terfig.
»Die Afghanen sind keine Araber«, meinte Paulsen friedlich.
»Aber ihr versteht, was ich meine«, sagte Terfig, ohne sich provozieren zu lassen.
»Konflikte in diesem Teil der Welt. Selbst wenn die Verbindungen
zu unserem Fall nicht unbedingt auf der Hand liegen, sind sie doch recht beunruhigend.«
Skov hatte schweigend zugehört.
»Wenn ihr recht habt, wer könnte Mr. Key dann sein?«, fragte er.
»Mr. Key?«, fragte Terfig.
»Wir nennen ihn so. Der Schlüssel in seiner Tasche.«
Terfig und Christian lehnten sich zurück. »Jemand, der Kontakte zu einer Terrororganisation hatte«, meinte Terfig. »Diese Sache ist zu avanciert, als dass es sich um normale Kriminelle handeln könnte. Allein der Umstand, dass der Mord seine Identität verschleiert. So raffiniert sind unsere jungen Leute mit den Motorrädern nicht.«
»Und wer hat ihn in diesem Fall auf dem Gewissen?«, fragte Skov.
»Jemand, der ihn aufgespürt hatte und es vorzog, ihn unschädlich zu machen, bevor er festgenommen wurde.«
»Und wer?«
»Eigentlich dürfte ich so etwas gar nicht sagen«, meinte Terfig. »Aber heutzutage vertraue ich unseren Freunden nicht mehr.«
»Also jeder beliebige Geheim- und Nachrichtendienst?«
»Wohl kaum die schwedische Säpo«, meinte Terfig und lächelte schwach.
»Amerikaner, Engländer, Israelis, Deutsche, Russen, wer?«
»Amerikaner und Israelis wären am naheliegendsten. Sie pflegen sich nicht übermäßig an Grenzen und internationale Konventionen zu halten.«
»Aber warum? Warum durften wir ihn nicht festnehmen?«
Christian beugte sich vor.
»Er verfügte vielleicht über Informationen, die für die
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