Der Geheimnistraeger
einer Kamera zu betätigen, in der sich eine Bombe befindet.« Paulsen tat, als hebe er einen Fotoapparat vor das Gesicht, und drückte dann mit dem Zeigefinger in die Luft. »Finger und Zähne fliegen in alle Richtungen. Auch die Augen, in letzter Zeit hat man ja mancherorts begonnen, die Iris statt der üblichen Fingerabdrücke zu verwenden.«
Er lehnte sich wieder gegen die Schreibtischkante. Er war
kein Mann vieler Worte. Einige seiner Kollegen nickten. Seine Schlussfolgerung hatte offenbar Zustimmung gefunden.
»Eine DNA erhalten wir natürlich mit der Zeit, aber die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo Vergleichsmaterial auftaucht, ist statistisch gesehen gering«, sagte Skov. »Wir haben im Übrigen alles beschlagnahmt, was diese japanische Gruppe fotografiert hat, sowohl Filme als auch digitale Fotos. Diese dreißig Touristen hatten insgesamt zwölf gewöhnliche Fotoapparate, 27 Digitalkameras und 22 Videokameras dabei. Damit haben sie wirklich allen unseren Klischeevorstellungen entsprochen, und dafür können wir dankbar sein. Mit etwas Glück hat einer von ihnen Opfer und Mörder fotografiert.«
»Also, was wissen wir?«, ließ sich eine Stimme weiter hinten im Raum vernehmen.
»Ein Mann«, sagte Skov, »Anfang dreißig, etwa 180 cm groß, normalgewichtig, sogar ziemlich durchtrainiert. Dunkelhaarig, weiße Hautfarbe, Schuhgröße 43.«
»Ist das alles?«, fragte die Stimme.
»Vermutlich Linkshänder«, sagte Paulsen, »das heißt, als er noch Hände hatte.«
Skov nickte. »Wir machen einen Test. Wer von euch ist Linkshänder?«
Zwei linke Hände wurden gehoben. »Was habt ihr in der linken Hosentasche?«, fragte Skov.
Beide Linkshänder fischten einen Haustürschlüssel aus der Tasche. »Und in der rechten Hosentasche?«, fuhr Skov fort.
Ein Autoschlüssel und ein Fahrradschlüssel. Skov stellte den Rechtshändern dieselbe Frage. Alle außer einem hatten sowohl Haustür- als auch Autoschlüssel in der rechten Hosentasche.
»Auto- und Fahrradschlösser sind gewöhnlich rechts angebracht«, sagte Paulsen. »Deswegen benutzen auch Linkshänder die rechte Tasche. Die Tür zu Hause, Koffer und anderes
schließt man mit seiner geschickteren Hand auf. Unser Mann hatte den Schlüssel in der linken Hosentasche.«
Eine Weile lang wurde es still. Alle schienen über die Linkshändigkeit des Opfers nachzudenken und darüber, dass sie sonst überhaupt nichts über den Mann wussten. Ein kopfloser Linkshänder mit Schuhgröße 43 und einem Schlüssel in der Tasche. Für eine Mordermittlung war das nicht gerade ein Start mit wehenden Fahnen.
»Mr. Key«, ließ sich eine Stimme aus den hinteren Reihen vernehmen.
Dieser Name ist so gut wie jeder andere, dachte Vincent Paulsen.
»Okay«, sagte Skov. »Ich habe vor, diese Ermittlung persönlich zu leiten. Ich habe die Genehmigung des Polizeidirektors, von den anderen Dezernaten dreißig Mann abzuziehen, das hier wird also eine recht große Operation.« Er machte eine ausholende Handbewegung über seine Mitarbeiter hinweg und hielt bei Paulsen inne.
»Du, Vincent, bist mein Stellvertreter«, sagte er.
Vincent Paulsen zog leicht die Brauen hoch. »Wieso?«, fragte er. »Es gibt doch schon einen.«
»Carsten ist noch eine Weile krankgeschrieben. Das ist nichts auf Dauer, Vincent, nur für diese Ermittlung. Du bekommst auch nicht mehr bezahlt, sondern hast einfach nur mehr Arbeit.«
Dann begann Skov die Aufgaben zu verteilen. Es musste herausgefunden werden, woher die Kleider des Leichnams stammten. Ein retuschiertes Foto des Toten in Kleidern sollte angefertigt werden, um herauszufinden, wie das Opfer zum Schlachtplatz gelangt war. Mit Interpol, Europol und der Sicherheitspolizei PET musste Kontakt aufgenommen werden, um zu klären, ob diese originelle Mordmethode früher schon
einmal angewandt worden war. Die Videos und Fotos mussten analysiert werden. Alle, die auf dem Rådhuspladsen gewesen waren und deren Personalien sie aufgenommen hatten, mussten eingehend vernommen werden. Fingerabdrucks- und DNA-Register mussten abgeglichen werden. Skov würde persönlich nach oben Bericht erstatten und sich dann den Journalisten bei einer Pressekonferenz stellen. Bei dieser Gelegenheit würde er sich auch an die Öffentlichkeit wenden und eventuelle weitere Zeugen bitten, sich zu melden. Møller würde mit ein paar Kollegen zusammen versuchen, das Schloss aufzuspüren, zu dem der Schlüssel passte, viel Glück ! Paulsen würde Skov bei der Koordination helfen, aber auch
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