Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
Vom Netzwerk:
Bürger, die ein ordentliches Leben führten. Das Fremdenverkehrsamt verriet jedoch nicht, dass eine große Gruppe, fast jeder Fünfte, bei den Folketing-Wahlen wählerisch war, wenn es darum ging, Menschen in der gemütlichen Kleinstadt willkommen zu heißen. Auf Einwanderer, insbesondere Moslems, konnte man hier verzichten. Für diejenigen, die Dansk Folkeparti wählten, gab es auf der Brücke für alles Nicht-Dänische nur eine Richtung: weg.
    Korsør war in dieser Beziehung eine in jeder Hinsicht normale, dänische Stadt, wenn man von den Panzerwagen, die an allen Zufahrtsstraßen aufgestellt waren, einmal absah.
     
    Doris saß hinten in dem schwarzen Minibus. Ihre Hände waren immer noch auf dem Rücken gefesselt, aber aus einem Grund, den sie nicht kannte, hatte ihr ihr Wächter die Augenbinde abgenommen. Neben ihr saßen die beiden Sanitäter, und hinter ihr saß der Streifenbeamte, der überlebt hatte. Dieser trug sowohl eine Augenbinde als auch Klebeband vor dem Mund. Als sich Doris umdrehte, sah sie, dass einer ihrer ehemaligen Gäste, ein Mann Mitte dreißig, eine Waffe in den Händen hielt. Sie sah fürchterlich groß aus.
    Sie fuhren eine Straße entlang, die Doris viele Male mit ihrem eigenen Auto gefahren war. Sie nahmen den Skovvej ins Zentrum der Stadt. Ihr Minibus bog jedoch nicht vor der Fußgängerzone ab, sondern fuhr geradeaus weiter.
    Sie sah hinaus. Keine Menschenseele. Als hätte eine Neutronenbombe alle außer ihr und den anderen in dem schwarzen, rollenden Sarg ausgelöscht.

    Als sie über den Markt fuhren, sah sie das Monstrum mit schräg nach oben gerichteter Kanone. Sie sah das Loch in der Wand des Polizeipräsidiums und wollte schon den Polizisten hinter sich fragen, konnte sich aber noch rechtzeitig beherrschen. Sie versuchte, klar zu denken, begriff aber nicht, was eigentlich vorging.
    Der Minibus bog nach rechts zum alten Hafen am schmalen Sund zwischen den beiden Stadthälften ab. Er hielt vor dem Hotel Kong Frederik. Der Mann auf dem Beifahrersitz vor ihr stieg aus und öffnete die seitliche Schiebetür. Er hielt ein Sturmgewehr in den Händen. Wortlos bedeutete er ihr auszusteigen. Dann zog er die Sanitäter und den Polizisten an den Armen. Die vier Gefangenen wurden an mehreren bewaffneten Männern vorbei ins Hotel geführt. Im Foyer standen weitere Männer, ebenfalls mit Waffen in den Händen. Die vier wurden mehrere Treppen hinaufgetrieben und dann in verschiedene Zimmer gebracht. Nachdem die Tür hinter ihr geschlossen worden war, war Doris allein.
    Sie setzte sich aufs Bett. Nach einigen Minuten kam sie zu dem Schluss, dass sie zumindest nicht jetzt gleich ermordet werden würde. Sie stand auf und trat ans Fenster. Der einzige Mensch, den sie sah, hielt eine Waffe in der Hand. Er stand an der alten Brücke und hatte eine Zigarette zwischen den Lippen.
    Neben dem Bett stand ein ein kleiner Nachttisch mit einem Telefon. Doris beugte sich vor und stieß den Hörer mit der Nase von der Gabel. Mit der Nasenspitze gelang es ihr, die Neun zu wählen. Es kam aber kein Freizeichen. Sie ließ sich auf das Bett sinken. Plötzlich kamen die Gefühle in ihr hoch. Sie spürte ihre Verzweiflung. Sie legte sich hin und versuchte, nicht zu weinen. Ihr Sohn … sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie im Sund gebadet hatten. Er hatte zum ersten Mal
einen Kopfsprung vom Steg gemacht, und sie hatte sich das immer wieder ansehen sollen.
    Durch die Wand hörte sie Stimmen. Sie richtete sich auf und rückte näher an die Wand. Obwohl sie ihr Ohr auf die Tapete legte, konnte sie nicht hören, worüber gesprochen wurde. Der Ton klang jedoch erregt.
     
    George Woods saß auf einem Stuhl mitten im Zimmer. Sein Rücken war an der Rückenlehne festgezurrt und seine Arme waren an die Armlehnen gefesselt. Die beiden Männer vor ihm hatten ihm gerade das Klebeband abgerissen, das seit über zwei Stunden vor seinem Mund geklebt hatte. George Woods protestierte gegen diese Behandlung. Das gestatteten sie ihm ohne Einwände. Als er schließlich verstummte, erhob sich der eine Mann und schlug ihm mit aller Kraft auf den Mund. Woods spuckte Blut.
    Der Mann, der dunkle Brauen und eine schmale Nase hatte, setzte sich wieder gegenüber von Woods. »Jetzt werden Sie unsere Fragen beantworten«, sagte er auf Englisch. Woods nickte schweigend.
    »Sie sind George Woods, 56 Jahre alt und amerikanischer Staatsbürger«, sagte der Mann, der einen geöffneten Pass in der Hand hielt. »Stimmt das?«
    »Ja«,

Weitere Kostenlose Bücher