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Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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erwartete, dass ihn ein Geschoss zerreißen würde, aber stattdessen kamen die Männer in breiter Front langsam auf ihn zu. Espen gab sich Mühe, ganz still zu stehen. Plötzlich spürte er, dass seine Nasenspitze zu jucken begann. Es wurde immer schlimmer und war fast unerträglich. Tränen traten ihm in die Augen. Er begann ganz leise zu singen, um seine Angst und das penetrante Jucken in Schach zu halten: »She loves you, yeah, yeah, yeah …«
    Die Männer waren sehr schnell bei ihm. Ihr Schweißgeruch schlug ihm entgegen. Sie drückten ihm zwei Läufe ihrer Maschinenpistolen gegen die Brust und einen gegen die Schläfe. »Down« , befahl der Mann, der auf seinen Kopf zielte. Espen ließ sich auf die Knie sinken. Die Waffen folgten seiner Bewegung. Einer der Männer suchte ihn mit den Händen ab. »Up.«
Espen gehorchte sofort und versuchte, rasch wieder auf die Beine zu kommen. Einer der Männer zog Espens Jacke halb nach unten, so dass seine Arme an den Oberkörper gepresst wurden. Ein anderer drückte ihm seine Waffe in den Rücken und zwang ihn Richtung Hotel. Espens Herz schlug etwas langsamer. Er hatte die erste, kritische Phase überlebt.
    Weitere bewaffnete Männer standen vor dem Hotel und andere in der Lobby. Espen zählte vierzehn Männer einschließlich der drei, die ihn vor sich her stießen. Man zwang ihn zwei Treppen hoch zu gehen. Dann schob man ihn in ein Zimmer. Einer der Männer fesselte ihm die Hände mit Klebeband hinter dem Rücken und setzte ihn auf einen Stuhl. Zwei Männer bewachten ihn, während der dritte das Zimmer verließ. Espen war erstaunt, dass sie sich nicht gewalttätiger oder bedrohlicher verhalten hatten. Alles, was er an Geiselnahmen erlebt oder darüber gelesen hatte, ging um große physische oder verbale Gewalt selbst den hilflosesten Opfern gegenüber, damit diese sich schnellstmöglich unterwarfen. Er hatte erwartet, körperlich misshandelt zu werden, selbst wenn es ihm gelungen wäre, sie davon zu überzeugen, dass er ein Unterhändler war.
    Es vergingen mehrere Stunden, bevor wieder jemand ins Zimmer kam. Es war ein dunkelhaariger, dunkeläugiger, relativ kleiner Mann um Mitte dreißig. Espen vermutete, dass es sich um einen Araber handelte, war sich aber nicht sicher. Der Blick des Mannes war ausdruckslos. Seine Gefühle ließen sich nicht erkennen.
    Mit raschen Schritten ging er auf Espen zu und schlug ihm fest ins Gesicht. Espen hatte dies erwartet und gab dem Hieb nach, wodurch dieser abgeschwächt wurde. Sobald er sich wieder gefangen hatte, fixierte er den Mann mit seinem Blick. Dieser beugte sich vor und schob sein Gesicht zehn Zentimeter an Espens heran. War es Janina Martinsson ebenso ergangen?
Espen gewann einen blitzschnellen Einblick in die Hölle. Die vollkommene Machtlosigkeit, der Willkür anderer ausgeliefert zu sein. Bedrohung, unberechenbare Brutalität, die Methode des Gewalttäters, alle Versuche des Widerstands zu ersticken und die Geisel in ein willenloses Opfer zu verwandeln. Wenigen Menschen gelang es, sich psychisch wieder zu stabilisieren, nachdem Angst und Erniedrigung alles zerstört hatten.
    »Wer sind Sie?«, fragte der Mann auf Englisch.
    »Ich heiße Espen Krogh und bin hier, um mit Ihnen zu verhandeln«, erwiderte Espen.
    »Wen vertreten Sie?«
    »Es geht um einen Ihrer Gefangenen«, sagte Espen.
    Der Mann schlug nochmals zu, was Espen dieses Mal nicht erwartet hatte.
    »Beantworten Sie die Frage«, sagte der Mann. »Sonst nichts. Wen vertreten Sie?«
    »Ich vertrete das Unternehmen Compton & Floyd, das seinerseits Mr. George Woods vertritt«, erklärte Espen und bemühte sich, sich genau auszudrücken. Er legte keinen Wert auf weitere Schläge.
    »Sind Sie Amerikaner?«
    »Nein. Ich bin Schwede und in Dänemark geboren.«
    Der Mann hob seine Hand in die Höhe von Espens Gesicht. »Ich rate Ihnen davon ab, zu lügen«, sagte er, jedoch ohne zuzuschlagen.
    »In der Jackentasche«, sagte Espen, »liegt mein Pass.«
    Der Mann steckte die Hand in Espens Jacke und nahm den Pass heraus. Er begann zu blättern. »Beweisen Sie, dass es um den Amerikaner geht«, sagte er dann.
    »Gesäßtasche«, sagte Espen und drehte sich etwas zur Seite. »Dort befindet sich der Beweis.«
    »Stehen Sie auf«, sagte der Mann und steckte die Hand in die
Gesäßtasche, als Espen wieder auf die Beine gekommen war. Das Dollarbündel war recht dick.
    »Fünfundzwanzigtausend Dollar«, sagte Espen. »Das ist der Vorschuss. Können wir jetzt das Geschäftliche

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