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Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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besprechen?«
    » Vielleicht.«
    »Ich möchte aber erst die Ware in Augenschein nehmen.«
    Der Mann blätterte in dem Dollarbündel.
    »Wie viel ist er Ihnen wert?«, fragte er dann.
    »Bedeutend mehr als das«, sagte Espen.
    Eine Faust tauchte vor seinen Augen auf.
    »Sorry«, sagte Espen. »Verhandlungen sind wie ein Kartenspiel. Man zeigt seine Hand nicht.«
    »Ich spiele nicht Karten«, erwiderte der Mann. Aber er ließ seine Faust sinken und nickte den beiden Wachen zu.
    Sie führten ihn zwei Treppen nach oben und dann einen Korridor entlang. Espen merkte sich die Zimmernummer: 411. Einer der Aufpasser öffnete die Tür. Ein Mann saß an einen Stuhl festgebunden. Sein Kopf hing nach vorne, als schliefe er oder sei tot. Eine weiße Augenbinde war im Nacken zugeknotet. Der Aufpasser ging zu dem Mann und stieß ihn mit dem Gewehrkolben an. Der Mann auf dem Stuhl zuckte zusammen und hob den Kopf.
    »Darf ich mit ihm sprechen?«, fragte Espen mit leiser Stimme.
    »Nur kurze, einfache Fragen«, sagte der Mann, der der Anführer der Gruppe war.
    »Mr. George Woods«, sagte Espen. »Sind Sie das?«
    Der Mann auf dem Stuhl machte eine unruhige Kopfbewegung. Die Stimme klang brüchig, sein Kehlkopf schien ausgetrocknet zu sein.
    »Wer sind Sie?«, sagte er, statt zu antworten. »Warum werde ich gefangen gehalten?«

    »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen«, sagte Espen. »Sind Sie George Woods?«
    »Ja. Können Sie mich hier rausholen?«
    »Wir haben nicht viel Zeit, Mr. Woods. Konzentrieren Sie sich darauf, meine Fragen zu beantworten. Wie geht es Ihnen, rein körperlich?«
    »Man hat mich geschlagen, und ich habe Schmerzen. Meine Arme schmerzen.« Er verstummte eine Weile. »Aber ich glaube nicht, dass ich schwer verletzt bin«, sagte er dann, etwas gefasster. »Helfen Sie mir!«
    Der Anführer der Gruppe schob Espen aus dem Zimmer, noch ehe er eine weitere Frage stellen konnte. Er wurde in das zweite Stockwerk zurückgebracht. Espen wurde in ein Zimmer eingeschlossen. Man ließ ihn allein. Er wusste nicht, ob er jetzt selbst eine Geisel war oder ob die Kidnapper über Woods verhandeln wollten. Das hing von ihren eigentlichen Zielen ab.
    »Woods, Zimmer 411 im vierten Stock. Ich sitze in Zimmer 207 im zweiten Stock«, sagte er und hoffte, dass seine Worte gehört und notiert wurden.

47. Kapitel
    Preben Møller und seine vier Kollegen vom Morddezernat hatten müde Beine.
    »Jetzt geben wir auf«, sagte einer von ihnen. »Es ist fünf vor zehn. Wir sind jetzt über acht Stunden herumgelaufen.«
    Møller nickte. Er hatte außerdem Rückenschmerzen. Sie hatten den Samstagnachmittag und -abend damit zugebracht, sämtliche Hotels in der Stadt abzuklappern und sich in jedem Laden im Hauptbahnhof sowie auf Kastrup und auf den Busbahnhöfen nach Paolo zu erkundigen. Sie hatten sein Foto vorgezeigt und immer wieder dieselbe Frage gestellt: »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
    Das Ergebnis war niederschmetternd. Sie waren Niederlagen gewohnt, aber das hier war schlimmer als sonst. Eine einzige Person hatte geglaubt, Paolo wiederzuerkennen. Eine Verkäuferin in einem Laden auf dem Hauptbahnhof, die sich an seine Augen erinnern konnte. Eine Überprüfung zeigte, dass sie wirklich an jenem Tag gearbeitet hatte, an dem der Mord auf dem Rådhuspladsen verübt worden war. Bestenfalls stärkte das die Hypothese, dass Paolo Rocca am selben Tag mit dem Zug am Hauptbahnhof eingetroffen war, an dem man ihn ermordet hatte. Aber woher war er gekommen? Møller sah ein, dass er mit jedem Schaffner sprechen musste, der an diesem Nachmittag
gearbeitet hatte. Paolo Rocca war Italiener gewesen. Also war er vielleicht mit dem Zug von Süden her eingetroffen. Es gab unendlich viele Möglichkeiten. Møller wurde von einem Gefühl der Mutlosigkeit erfasst.
    Er saß in seinem Büro im zweiten Stock des Polizeipräsidiums. Es war nach elf Uhr abends, und seine Kollegen waren nach Hause gegangen. Nicht einmal Skov war noch da. Møller war unverheiratet und fühlte sich in seiner Junggesellenwohnung wohl. Aber an diesem Abend wollte er nicht aufhören zu arbeiten. Er sann über effektive Methoden, anhand derer sich das Leben Paolo Roccas zurückverfolgen ließe, nach, um so herauszufinden, weswegen er ermordet worden war. Møller verließ sich nicht auf seine Intuition, er glaubte an beharrliche Arbeit. Je mehr Zeit er auf einen Fall verwendete, desto einfacher würde er zu lösen sein oder desto mehr würde er zu seiner Lösung beitragen

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