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Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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können. Aber ausnahmsweise gestattete er sich, dabei auf sein Gefühl zu hören und sich nicht nur auf die harten Fakten zu verlassen: Rocca war wegen des Schrankinhalts ermordet worden. Kein Ermittlungsergebnis belegte dies. Aber wenn der Schlüssel nicht zu irgendeinem Schrank in Kopenhagen passte, dann gehörte er zu einem Schrank in dem Ort, in dem Rocca in den Zug eingestiegen war. Das war die Ortschaft, die er finden musste.
    Seine Überlegungen wurden vom Klingeln des Telefons unterbrochen. »Ja?«, sagte er nur, nachdem er zum Hörer gegriffen hatte.
    »Ich hätte gerne Bjarne Skov gesprochen«, sagte jemand am anderen Ende.
    »Skov liegt zu Hause und schläft, und das sollte ich ebenfalls tun«, sagte Møller unwirsch. Er war zu müde, um um diese Tageszeit noch den Telefondienst zu übernehmen.

    »Hier ist Polizeiassistent Berndtsen. Mit wem spreche ich bitte?«
    Ein Kollege. Møller wurde etwas umgänglicher.
    »Møller. Ich bin als Einziger noch hier. Womit kann ich dir helfen?«
    »Ich arbeite bei der Citywache am Halmtorvet«, sagte Berndtsen. »Ich bin neu hier, also als Polizist. Ich habe im Frühjahr Examen gemacht. Ich weiß nicht, ob das hier etwas ist …«
    »Was denn?«
    »Wir haben einen Kinderwagen reinbekommen, den jemand vor einem Geschäft in der Viktoriagade am Tag nach dem Mord auf dem Rådhuspladsen hatte stehen lassen.«
    Møller drückte den Hörer etwas fester ans Ohr. »Und?«, sagte er auffordernd.
    »Der hatte vierundzwanzig Stunden vor dem Laden gestanden, also nach dem Mord. Ich dachte, dass er vielleicht etwas damit zu tun hat. Bist du mit dem Fall befasst?«
    »Ja«, sagte Møller. »Warum hat uns das niemand früher erzählt? «
    »Es hat vermutlich keiner daran gedacht. Ich bisher auch nicht. Erst eben. Das kam mir einfach in den Sinn. Ich habe mich erkundigt, ob der Kinderwagen noch da ist. Das ist er. Niemand hat ihn abgeholt.«
    »Wo ist der Kinderwagen jetzt?«
    »Bei uns im Keller bei allen anderen Fundsachen. Außerdem ist etwas ganz merkwürdig damit.«
    »Was?«
    »Es liegt eine große Puppe unter den Decken darin. So groß wie ein richtiges Baby.«
    »Berndtsen«, sagte Møller. »Fass den Kinderwagen nicht an. Ich schicke die Kriminaltechniker sofort rüber.«
    »Natürlich. Ich bin noch die ganze Nacht hier.«

    Møller legte auf und wählte sofort die interne Nummer der forensischen Abteilung. Anschließend rief er bei Vincent Paulsen zu Hause an.
    »Eine Puppe«, sagte Møller, nachdem er erklärt hatte, worum es ging. »Eine perfekte Illusion. Ich erinnere mich an einen Kriminellen, der Raubüberfälle beging und es genauso machte. Wer hat schon Angst vor einem Vater mit Kinderwagen?«
    »Ich erinnere mich nicht, irgendeinen Kinderwagen auf den Videos der Japaner gesehen zu haben«, meinte Paulsen. »Aber vielleicht bin ich ja auch auf denselben Trick reingefallen. Ich habe den Kinderwagen vielleicht in dem Gewimmel gesehen, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass er mit der Sache zu tun haben könnte.«
    »Wir müssen uns die Filme noch einmal ansehen«, meinte Møller.
    »Ich komme, so schnell ich kann.«
    »Dann schaue ich mir jetzt erst einmal den Kinderwagen an.«
     
    Eine Viertelstunde vor Mitternacht schaltete Paulsen den Videorekorder ein. Møller saß auf einem Stuhl vor dem Monitor.
    »Lass uns beten«, meinte Vincent und nahm neben ihm Platz.
    Etwa eine Stunde später hatten sie fast alle Bänder im schnellen Vorlauf durchgesehen. Nur zwei Videos waren übrig.
    Noch mehr Japaner. Japaner, die Fotos schossen. Japaner, die sich in Positur stellten. Japaner, die die Videokamera nicht ruhig halten konnten. Japanische Amateurfotografen, die ihre gesamte Umgebung ablichteten. Das Rathaus im Gegenlicht. Leute, die Eis aßen. Leute, die vorbeiflanierten …
    »Da!«, rief Vincent und sprang auf. Er stellte sich vor den Fernseher.

    »Ich seh nichts mehr«, sagte Møller und lehnte sich zur Seite.
    Paulsen stand wie festgenagelt da. Eine Frau mit einem Kinderwagen. Sie trug eine Sonnenbrille und hatte kräftiges, dunkles Haar. Ein Mann stand neben ihr, ebenfalls mit Sonnenbrille. Das Paar war altmodisch gekleidet, obwohl sie beide noch recht jung waren. Die Kamera fing sie nur wenige Sekunden ein. Paulsen spulte das Band zurück. Sie sahen es sich ein weiteres Mal an.
    »Das sieht aus wie der Kinderwagen im Keller«, sagte Møller.
    Paulsen drückte die Pausentaste, als das Paar mit dem Kinderwagen am besten zu sehen war. Auf dem Monitor tauchte ein

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