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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Tagen allzuviele Gottesdienste versäumt. Besser ich gehe wieder meiner Pflicht nach und nehme heute abend wenigstens noch an der Komplet teil.
    Übermorgen werde ich noch einmal kommen und nach Euch sehen. Seid nur vorsichtig beim Gehen. Und Ihr, Annet, laßt ihn nicht zu lange auf den Beinen bleiben. Und wenn er Euch Schwierigkeiten macht, dann nehmt ihm die Krücken weg.«
    Sie lachte und versicherte, seinem Rat zu folgen, aber Cadfael sah, daß sie in Gedanken nicht bei der Sache war. So hatte sie auch keine Anstalten gemacht, in die Proteste ihres Vaters über Cadfaels frühen Abschied einzustimmen.
    Ebensowenig kam sie mit zum Tor hinaus, um ihn zu verabschieden, doch sie trat einen Schritt vor die Tür und sah ihm von dort aus zu, wie er aufstieg. Als er sich am Rand der Lichtung noch einmal umdrehte, winkte sie ihm nach. Erst als er verschwunden war, machte sie kehrt und trat wieder in die Hütte.
    Cadfael ritt nicht weit. Ein paar hundert Meter tiefer im Wald gab es eine kleine Senke, die von wucherndem Dickicht umgeben war. Dort stieg er ab und band sein Pferd an. Leise und unauffällig schlich er sich bis zu einem Platz zurück, von dem aus er die Haustür beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Das Licht ging allmählich ins weiche Grün der Dämmerung über, und bis auf das späte Lied eines Vogels war es völlig still.
    Schon nach ein paar Minuten kam Annet wieder zur Tür heraus und blieb eine Weile gespannt und reglos stehen, den Kopf aufmerksam gehoben, um sich auf der Lichtung umzusehen und zu lauschen. Dann verließ sie, anscheinend zufriedengestellt, mit raschen Schritten den umzäunten Garten und ging hinter die Hütte. Cadfael folgte ihr in der Deckung der Bäume. Die Hühner waren bereits zur Nacht eingesperrt und die Kuh stand im Stall; von diesen allabendlichen Pflichten war Annet schon vor einer guten Stunde zurückgekehrt, als ihr Vater noch seine Krücken im Gras auf der Lichtung ausprobierte. Anscheinend hatte sie noch einen Gang zu tun, bevor die Nacht hereinbrach und die Tür verschlossen und verriegelt wurde. Sie begann federnd und fröhlich zu laufen, die Hände ausgebreitet, um zu beiden Seiten die Büsche zu teilen, bis sie den Rand der Lichtung erreichte. Ihr hellbraunes Haar löste sich aus der Schnecke und tanzte auf ihren Schultern, und sie legte den Kopf zurück und blickte zwischen den Bäumen hinauf, die über ihr allmählich dunkelten und still und feucht gelegentlich ein verwittertes Blatt abwarfen, die Tränen des alternden Jahres.
    Sie hatte es nicht weit. Höchstens hundert Schritte tiefer im Wald blieb sie stehen wie zuvor, in jener fröhlichgespannten Haltung, die an ein fliehendes Tier erinnerte. Sie verharrte unter den Ästen der ersten einer ganzen Reihe alter Eichen, die noch ihr volles, jedoch braunes Blattwerk trugen. Cadfael, der nicht weit hinter ihr im Schutz der Bäume stand, sah, wie sie den Kopf zurückwarf und einen hohen, melodischen Pfiff zur Baumkrone hinaufsandte. Und irgendwo von droben zwischen den schimmernden Blättern kam eine Antwort. Es war ein junger Mann, der elegant und lautlos wie eine Katze herabkletterte. Er ließ sich vom letzten Ast fallen und setzte federnd neben Annet auf. Sobald er den Boden berührte, umarmten sie sich innig.
    Also hatte er sich nicht geirrt. Die beiden hatten sich auf den ersten Blick ineinander verliebt und hatten zudem das Glück, daß er ihrem Vater einen großen Dienst erwiesen hatte. Da Eilmund hilflos im Haus lag, konnte sie nach Belieben ihren eigenen Plänen nachgehen und einen Flüchtling verstecken und speisen. Aber was würden sie jetzt tun, nachdem der Förster wieder auf den Beinen war, so beschränkt seine Reichweite auch zunächst bleiben mußte? Konnte sie ihren Vater vor eine solche Wahl stellen? Schließlich war er offiziell dem Gesetz verpflichtet. Doch dort standen sie, treuherzig wie Kinder, einander fest umschlungen, und ihre Umarmung hatte etwas so Inniges, daß es gewiß mehr brauchen würde als Vater oder Herr oder Gesetz oder König, um sie voneinander zu trennen. Sie mit ihrer langen Haarmähne und den bloßen Füßen und Hyacinths schöne Gestalt und seine eleganten Bewegungen, seine heftige, beunruhigende Schönheit. Beide hätten zwei Geschöpfe sein können, die der alte Wald selbst ausgebrütet hatte, Faun und Nymphe aus einer uralten Fabel.
    Nicht einmal das sich herabsenkende Zwielicht konnte ihr Strahlen dämpfen. Nun, dachte Cadfael, der den Anblick in sich aufnahm, wenn

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